UK-EXPORTS: ALTERNATIVE COMEDY

Was versteht man unter dem Begriff "Alternativ"? Im Grunde nichts anderes als "Anders". Jedes innovative Format das von Erfolg beseelt ist war zu einem bestimmten Zeitpunkt einmal anders, bis ihm ein Haufen Leute folgte die denselben Weg einschlugen. So schnell kann's gehen und man ist Mainstream! Ein Phänomen das auch den Monty Pythons nicht fremde war, mit ihrem schrägen, surrealen Humor der in den 1970ern nicht nur im Vereinigten Königreich wie Unkraut aus dem Boden spross. Auch ihnen blieb das Schicksal nicht verwehrt sich irgendwann von den jungen Kolleg:innen anhören zu müssen, ein alter Hut zu sein. Mehr noch, vor lauter Albernheit die Probleme der kleinen Leute aus den Augen zu verlieren. Aus diesem Umfeld, erstarkt durch den Siegeszug des Punk und die beklagenswerte Politik der damaligen Premierministerin Margaret Thatcher, formierte sich Ende der 1970er eine neue Bewegung die als "Alternative Comedy" bezeichnet wurde. Allerdings war diese durchaus sehr anders. Politisch bewusster, direkter, unverschämter, an der Grenze des guten Geschmacks, aufmüpfig, schrill, dystopisch und damit in den 1980ern bestens aufgehoben!


Heute wird vieles als Alternative Comedy bezeichnet, was sich aber damals formierte sollte die britische Comedy für immer verändern, die Grenzen erweitern und einem Haufen heute sehr bekannter Comedians eine Bühne geben. In diesem Artikel zeigen wir einen groben Umriss, wobei wir aus Platzgründen auf bereits vorgestellte Programme wie French & Saunders, The Young Ones, Spitting Image, A Bit of Fry and Laurie oder Naked Video verzichten. Wer's genauer wissen will möge auf die Links zu den entsprechenden Artikeln klicken!





Not the Nine O'Clock News




1979 ging auf der BBC das erste Fernsehprogramm auf Sendung das später als Teil der Alternative Comedy-Welle anerkannt wurde. Die sketchbasierte Nachrichtensatire Not the Nine O'Clock News von und mit einem blutjungen Rowan Atkinson (alias Mr. Bean), Pamela Stephenson, Mel Smith und Griff Rhys Jones. Kreiert wurde sie von Fernsehproducer John Lloyd, der bereits mit Douglas Adams gearbeitet hatte. Er gab an ein Comedyprogramm für die moderne Arbeiterklasse schaffen zu wollen, dass nicht so altbacken wäre wie die leichtherzigen Unterhaltungsprogramme der Two Ronnies oder Morecambe and Wise, sondern auch mal wirklich heiße Eisen anfasste. Not the Nine O'Clock News kehrte auch dem Stream of Consciousness-Metahumor der Pythons den Rücken, zugunsten eines mehr niederschwelligen Humors, bediente sich aber gleichzeitig auch einiger Videotricksequenzen um beispielsweise Aufnahmen bekannter Persönlichkeiten ins Lächerliche zu ziehen. Die Thatcher soll sich sogar einmal darüber echauffiert habe, das in einer Szene angedeutet wurde, sie hätte einen Verkehrsunfall verursacht. Die Sendung lief von 1979 - 82, mit gelegentlichen Specials bis in die 90er hinein. Aus ihr gingen weitere Kultprogramme hervor wie Blackadder und Alas Smith and Jones.   









There's Nothing to Worry About! / Alfresco



1982 versuchte der britische Privatsender ITV auf den Alternative Comedy-Zug aufzuspringen und ihre eigene Version von Not the Nine O'Clock News auf die Beine zu stellen. Hierzu bedienten sie sich einer Reihe junger Nachwuchstalente aus den Reihen der altererwürdigen Comedyclubs von Cambridge und Oxford, die unter anderem auch die Pythons hervorgebracht hatte. Es war das nicht ganz so große Bildschirmdebüt des später bekannten Duos Stephen Fry und Hugh Laurie, sowie der späteren Oskar-Preisträgerin Emma Thompson, Ben Elton der an sich noch eine große Nummer in der Alternative Comedy werden sollte, Paul Shearer und Siobhan Redmond. Die einzigen drei produzierten Folgen von There's Nothing to Worry About! wurden 1982 lediglich im Nordwesten Englands ausgestrahlt und blieben somit einer breiten Öffentlichkeit verborgen. Dennoch ging daraus eine weitere Sketchshow mit Namen Alfresco! hervor (vom Italienischen "al fresco", sprich: "Im Freien" da die Serie, für damalige Sketchcomedy eher unüblich, vermehrt außerhalb des Studios gedreht wurde). Shearer wurde durch Robbie Coltrane (alias Hagrid in den Harry Potter-Filmen) ersetzt. Obwohl sich die Reihe nicht als ganz so erfolgreich erwies wie erhofft, half sie der Karriere der erwähnten Talenten enorm auf die Sprünge und prägte damit die britische Comedy entscheidend mit. 







Alexei Sayle





Die Alternative Comedy der 1980er wäre kaum soweit gekommen, hätte sie nicht ein paar knallharte Standup-Comedians gehabt die sich weit aus dem Fenster gewagt hätten, die selbst vor Publikumsbeschimpfungen, politischer Schärfe und Zynismus nicht zurückgeschreckt haben. Wenn einem der Titel des Vaters der 1980er Alternative Comedy zusteht, dann ist es Alexei Sayle. Beide Eltern waren Mitglieder der Communist Party of Great Britain, seine Mutter zudem litauisch-jüdischer Abstammung. Er bekam also schon früh ein politisches Bewusstsein in die Wiege gelegt. 1979 wurde er zum ersten Master of Ceremonies (MC) des londoner Clubs Comedy Store und etablierte sich 1980 beim jährlichen Edinburgh Festival Fringe als Solocomedian, wo er auch seinem ersten Manager Martin Lewis in die Hände fiel. Er übernahm eine wichtige Rolle in der Gruppe The Comic Strip, die aus noch wichtig werdenden Playern der Alternative Comedy bestand, wie die Duos Adrian Edmondson und Rik Mayall (später bekannt geworden durch Sitcoms wie The Young Ones oder Bottom), Dawn French und Jennifer Saunders (bekannt als French and Saunders), Nigel Planer,

Peter Richardson und vielen mehr. Er spielte in zahlreichen Filmen mit, nahm Platten auf, schrieb und spielte gemeinsam mit einigen später bekannter werdenden Kolleg:innen in seinen eigenen, anarchen Fernsehreihen. Alexei Sayle nennt als Inspiration die Monty Pythons und Spike Milligan.








The Comic Strip Presents...




Mit dem Boom der Alternative Comedy zu Beginn der 1980er erhielten viele ihrer Vertreter:innen die Möglichkeit sich auch im Fernsehen auszutoben - sehr zur Freude der Jugend und Bedauern der konservativeren Teile der Gesellschaft, die mit dem exzessiven Gebrauch von Frivolitäten, Gewalt und politischen Statements überfordert waren. Auch die bereits erwähnte Gruppe The Comic Strip bekam ihre Chance und produzierte von 1982 bis heute eine Anthologie diverser Fernsehfilme mit wechselnder Besetzung. Zudem wurden zwei Kinofilme realisiert, Supergrass (1985) und Eat the Rich (1987). Die gezeigten Geschichten waren voll mit pechschwarzem Humor, aufwühlenden Szenen und harter Gesellschaftskritik, die natürlich immer wieder mal Entsetzen auslösten. Der Erfolg gab ihnen aber recht! Als sich die Reihe zu einem großen Hit entwickelte tauchten auch immer wieder einmal bekannte Persönlichkeiten in ihr auf wie Paul McCartney, Ozzy Osbourne, Lemmy, Elvis Costello, Kate Bush, Peter Capaldi und vielen mehr.


 



Ben Elton


Obwohl sein Vater deutsch-jüdischer Abstammung war und seine englische Mutter mit den Lehren der Church of England aufwuchs, wurde Benjamin Charles Elton in jungen Jahren weitestgehend von Religion ferngehalten und bezeichnet sich heute als Atheist. 1977 studierte er an der Universität von Manchester wo er Rik Mayall und Ade Edmondson kennenlernte. Sein erster Fernsehauftritt war mit einer Stand-Up-Performance im BBC Jugendprogramm Oxford Road Show, wenig später gelang ihm mit 23 Jahren der Durchbruch als Co-Autor von Mayall und Edmondson's Alternative Comedy-Sitcom The Young Ones, in der auch auftrat. Es folgten weitere relativ erfolgreiche Produktionen wie das bereits erwähnte Alfresco!, die Comedy-Drama-Serie Happy Family mit Ade Edmondson und Jennifer Saunders, Rowan Atkinson's Blackadder und mehr. Obwohl er seine Stand-Ups vornehmlich nutzte um seine eigenen Schreibarbeiten an Mann und Frau zu bringen, wurde er rasch zu einem der erfolgreichsten britischen Live acts seiner Zeit. Ben Elton etablierte sich als eine der wichtigsten Stimmen der linken politischen Satireszene, veröffentlichte zahlreiche Bücher, Filme, Musicals, Theaterstücke und so fort.







Who Dares Wins



Auch Channel 4 wollte ein Stück vom großen Alternative Comedy-Kuchen. Doch gleichzeitig sollte eine neue Form von Fernsehformat eingeweiht werden das seine höchst eigene Zielgruppe hatte, das sogenannte Post-Pub television. Etwas das man sich spätabends nach einem ausgiebigen, alkoholgeschwängerten Pub-Besuchs noch reinziehen konnte. Man entschied sich für eine TV-Adaption der Radio 4-Comedysendung Injury Time, mit einem Autorenteam das schon für Not the Nine O'Clock News tätig war. Das Ergebnis war die fulminante Sketchshow Who Dares Wins mit Jimmy Mulville, Rory McGrath, Philip Pope, Julia Hills und Tony Robinson. Sie wurde später in Amerika auf dem Kabelsender Playboy Channel wiederholt.




#FEEDBACK

von Manuel Waldner 6. September 2025
HOSE RUNTER: DER PODCAST VOR SHOW DE TOILETTE
von Peter.W. 5. September 2025
Das Mark des Lebens aussaugen
von Manuel Waldner 5. September 2025
DR. MICHAEL HOCH & DI DR. NORBERT FRISCHAUF
von Manuel Waldner 23. August 2025
EinBlick in die Seele der Gesellschaft: Sebastian Bohrn Mena im Kollektivpodcast In der intimen Atmosphäre des Kollektivpodcasts, einem Raum für tiefgründige Gespräche, die, wie der Name schon andeutet, für die gesamte Menschheit von Belang sein sollen, entfaltete sich ein Dialog von seltener Offenheit und Dringlichkeit. Zu Gast bei Musiker und Host David Pross war der Autor und bekannte TV-Analyst Sebastian Bohrn Mena. Was als Aufwärmrunde über seine ungewöhnliche Kindheit begann, entwickelte sich schnell zu einer messerscharfen Analyse der Zerreißproben, denen unsere moderne Welt ausgesetzt ist. Es war ein Gespräch, das von persönlichen Prägungen zu den größten Problemen der Menschheit führte und dabei die feinen Linien zwischen Psychologie, Politik und dem puren Menschsein nachzeichnete. Am Frühstückstisch der Therapeuten: Eine Kindheit unter dem Zeichen der Reflexion Wie prägt es einen Menschen, wenn beide Eltern Psychotherapeuten sind?. Diese Frage, von Host David Pross fast beiläufig gestellt, öffnete die Tür zu Bohrn Menas innerer Welt. Er erzählte von einer Kindheit, in der das Sprechen über Träume am Frühstückstisch zum Alltag gehörte. "Meine Mutter ist Psychoanalytikerin [...], mein Vater ist Gesprächstherapeut", schilderte er. Diese Konstellation sei als Kind grandios gewesen. Es war ein frühes Training in Selbstreflexion, das ihn lehrte, seine Emotionen zu ergründen und zu verstehen, was Erlebnisse mit ihm machen. Diese Erziehung, so wurde im Gespräch deutlich, ist der Nährboden für jene differenzierte Herangehensweise, die viele an seinen öffentlichen Auftritten schätzen – die Fähigkeit, auch in hitzigen Debatten nicht nur in Schwarz oder Weiß zu denken. "Dieses differenzierte Betrachten von Sachverhalten, von Personen, aber auch von sich selbst, ist eigentlich die Grundbasis dessen, was ich gelernt habe" , resümierte Bohrn Mena, der selbst einen Doktor der Psychotherapiewissenschaften besitzt. Dieses Rüstzeug erweist sich als unschätzbar, wenn er in Fernsehduellen auf politische Gegner trifft, wo es manchmal "sehr emotional, manchmal auch sehr persönlich wird". Besonders bei Themen wie Migration und Rassismus, die durch die Fluchtgeschichte seiner chilenischen Mutter tief in seiner eigenen Biografie verwurzelt sind, wird die professionelle Distanz zur Herausforderung. "Das triggert was in mir. Das muss ich ganz offen sagen". Er gestand, sich manchmal über sich selbst zu ärgern, wenn er emotional werde, wo er es nicht wollte. Doch er plädierte eindringlich dafür, sich die Menschlichkeit zu bewahren: "Trotzdem glaube ich, ist es wichtig, dass wir Menschen bleiben und das bedeutet, dass wir ehrlich reagieren auf etwas". Der bedrohte Grundkonsens: Ein Plädoyer für die Rettung der Demokratie Vom Persönlichen schlug die Unterhaltung den Bogen zu den großen gesellschaftlichen Verwerfungen. Als größtes Problem unserer Zeit identifizierte Bohrn Mena das systematische Erodieren der Demokratie. Über Jahrzehnte, so seine Analyse, sei den Menschen ein Denken in Konkurrenz und Ellenbogenmentalität eingetrichtert worden , das uns zu Gegnern statt zu Verbündeten mache. Dies höhle den Grundkonsens unserer Gesellschaft aus: die Solidarität und das Prinzip des Miteinanders. "Ich glaube tatsächlich, dass unsere Demokratie angezählt ist" , warnte er mit ernstem Unterton und verwies auf die wachsende Zahl von Menschen, die sich einen "starken Führer" wünschen. Host David Pross warf an dieser Stelle ein, dass es nicht nur ein emotionales, sondern auch ein massives intellektuelles Problem gäbe: eine mangelnde politische Grundbildung. Viele Bürger wüssten nicht einmal, was sie wählten, weil ihnen grundlegende Prinzipien wie die Gewaltentrennung fremd seien. Sein radikaler Vorschlag eines "Wahlführerscheins" stieß bei Bohrn Mena auf offene Ohren für eine Reform, auch wenn er den Hebel woanders ansetzen würde: bei der politischen Bildung, die bereits im Kindergarten beginnen müsse , und bei der Frage, warum man nicht stellvertretend für seine Kinder wählen dürfe, um deren Zukunft mehr Gewicht zu verleihen. Wut als Motor und die Falle des Populismus Einig waren sich beide, dass die Unzufriedenheit vieler Menschen, die "in der Früh hackeln geht und am Abend heimkommt", der Treibstoff für populistische Bewegungen ist. Die FPÖ, so Bohrn Mena, habe es perfektioniert, "der einzige Kanal für Wut in diesem Land" zu sein. Er warnte davor, diese Wut zu negieren, denn sie sei eine "unglaublich mächtige und wertvolle Emotion". Statt die Menschen zu beschwichtigen, müsse man anerkennen: "Du hast recht mit deiner Wut". Die Kunst bestehe darin, diese mobilisierende Kraft für ein gemeinschaftliches Ziel zu kanalisieren, anstatt sie einem "vermeintlich starken Mann" zu überlassen – ein Weg, der historisch betrachtet nicht gut ausgegangen sei. Zukunftsszenarien zwischen KI, Klimakrise und Krieg Das Gespräch navigierte weiter durch die großen Krisenherde der Zukunft. Die künstliche Intelligenz, die, wie Pross aus seiner Perspektive als Musiker schilderte, ganze Berufsfelder zu revolutionieren und zu vernichten droht , sei laut Bohrn Mena nur zu bewältigen, wenn die Politik dafür sorgt, dass die gigantischen Gewinne der Tech-Konzerne der Gemeinschaft zugutekommen. Es sei ein Verteilungsproblem , das sich auch in der Geringschätzung von unbezahlter Sorgearbeit, die meist von Frauen geleistet wird, zeige. Als weiteres existenzielles Megathema benannte er den Wert der Natur. Unser Wirtschaftssystem, das einem Baum erst dann einen Wert zubilligt, wenn man ihn umhackt, führe geradewegs in die Katastrophe. Wir müssten verstehen, "dass wir ein Bestandteil der Natur sind" und ihr wieder Raum geben. Den düsteren Abschluss bildete das Thema Krieg, das alle anderen Krisen wie unter einem Brennglas bündelt. Hier zeigte sich auch der einzige klare Dissens zwischen den Gesprächspartnern. Während Bohrn Mena leidenschaftlich argumentierte, dass es aus pazifistischer Sicht feige sei, einem überfallenen Volk wie der Ukraine die Waffen zur Selbstverteidigung zu verweigern , äußerte Pross sein tiefes Unverständnis darüber, wie Waffenlieferungen je eine Lösung für Krieg sein könnten. Es war ein Moment, der die ganze Komplexität und die moralischen Zwickmühlen unserer Zeit offenbarte. Das Gespräch im Kollektivpodcast war mehr als nur ein Interview. Es war eine gemeinsame, schonungslose Bestandsaufnahme, die den Zuhörer nachdenklich und mit dem Gefühl zurücklässt, dass die Rettung der Demokratie und die Bewältigung der globalen Krisen bei jedem Einzelnen und im gemeinschaftlichen Handeln beginnen. Eine Einladung, nicht wegzusehen, sondern sich einzumischen – und sich vielleicht die ganze, faszinierende Tiefe dieses Dialogs im Podcast selbst anzuhören.