PROJEKT X - PERLEN AUS DEM FM4-ARCHIV

Foto (C) FM4



Wer heute "Projekt X" hört denkt an Partyszene oder vielleicht die fast gleichnamige Komödie aus dem Regiesessel von Nima Nourizadeh. In Österreich versteht man darunter vor allem das kongeniale Comedyprogramm der selbsternannten Hauptprojektleiter (v.l.n.r.) Gerald Votava (bis 2010), Clemens Haipl und Herbert Knötzl. Seit Beginn des Jugendsenders FM4 beschallen sie jede Donnerstag Nacht die Alpenrepublik, mit einer Mischung aus surrealer Gesprächsrunde, wahnwitzigem Hörspiel und zum Teil erstaunlich authentischer Sozialstudie. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass es so etwas wie das Projekt X kein zweites Mal gibt.


Begonnen hat das Trio bereits 1994 an der Seite der damaligen Ö3-Legende Oliver Baier, in der skurrilen TV-Sendung Montevideo. Votava spielte den strengen, aber liebenswerten Grantler Herr Ralf, während Haipl die freche Tonne verkörperte. HPL Knötzl tauchte dabei meist nur in diversen Einspielern auf. Die Sendung war ein riesen Hit, hatte aber wegen seiner anarchen Gangart auch Kritiker unter den ORF-Puristen, die mit der ewig schwenkenden Kamera und dem Chaos wenig anzufangen wussten. Oliver Baier selbst distanzierte sich später, wenn auch nicht von Montevideo selbst, dann doch seiner Rolle als Pausenclown und er wandte sich später seriöseren Rollen zu.





Projekt X bekam auch eine eigene kurzweilige Fernsehshow, die im ORF-Programm lief, veröffentlichte eine CD die heute Kultstatus genießt und war in Form diverser Bühnenprogramme umtriebig. Zu den wenigen Gästen der Radiosendung zählte Martin Puntigam, welcher später seinerseits mit den Science Busters durchstartete. Gerald Votava stieg 2010 aus, um sich verstärkt einer Karriere als Schauspieler zu widmen. So war er beispielsweise in der Sitcom Schlawiner zu sehen. 2011 trat Herbert Knötzl unter dem Namen Richard Klein für die Songcontest-Ausscheidung an, verlor aber gegen die Popsängerin Nadine Beller. Clemens Haipl war unter anderem auch Mitautor der ebenfalls bahnbrechenden Sendung ohne Namen.




Das FM4-Archiv



Seit vielen Jahren gibt es im Netz das inoffizielle FM4-Archiv, das eine beachtliche Sammlung der auf dem Jugendsender FM4 produzierten Kultur- und Unterhaltungsprogrammen zur Verfügung stellt. Zu diesen gehören Projekt X, Chez Hermes, Salon Helga, Im Sumpf und auch einige Folgen von Montevideo. Auch wenn bei vielen Sendungen nicht alles vorhanden ist, so weist doch gerade die Schublade um Projekt X Material aus über 25 Jahren auf. Aber wo anfangen? Kein Problem! Wir von der Kollektiv-Redaktion haben euch unsere 10 persönlichen Lieblingsfolgen herausgesucht:





Prinzessin Caroline von Monaco


Erstausstrahlung: 11.02.1999 


Zu Beginn eine klassische "Diskussiaunsrunde" aus dem Hause Projekt X: HPL Votova spricht mit Duplo-Baustein Lore Krainer und Hermine Hecht-und-ich-bin-auf-der-Suche-nach-dem-männlichen-Geschlecht über die Königshäuser Europas. Inklusive der Projekt remiX-Version des Lieds "S.O.S" von ABBA.



Karl Moik entführt?


Erstausstrahlung: 10.10.2002 



Eine Parodie auf Jugenddetektiv-Geschichten a la Thomas Brezina. Die drei Schüler Jacky, Raphi und Salpeter stoßen auf einen Hinweis, dass der Moderator des Musikantenstadls Karl Moik entführt und durch einen Doppelgänger ersetzt wurde. Statt den Spuren vernünftig zu folgen verstricken sie sich in ein wahnwitziges Geflecht aus wilden Mutmaßungen, Assoziationen und Denkfehlern. 



 

Das verstecktes Projekt X Mikrofon:

Geburtstag von J.R. Jr.


Erstausstrahlung: 31.07.1997 



Die Hauptprojektleiter wagen einen Lauschangriff auf alte Bekannte der amerikanischen Fernsehlandschaft, die Familie Ewing aus der Kultserie Dallas. Ölbaron J.R. und seine Ex-Frau Sue Allen begeben sich in den Cettleman's Club, um bei Papierschnitzel und gespritztem Apfelsaft den Geburtstag ihres Sohnes John Ross zu feiern. Dabei kommt es zu einigen frivolen Albernheiten die zum schreien komisch sind und einige schockierende Wahrheiten über die Bewohner der Southfork Ranch offenlegen.





Die Fasteninsel


Erstausstrahlung: 06.03.2003



Sir William Conqueror und Captain Justin Horward machen sich im Namen der britischen Krone auf die Sieben Meere zu durchqueren. Dabei kommen ihnen nicht nur eine russische Prinzessin, die sich an Bord versteckt hat in die Quere! Haben die Franzosen das Meer versalzen? Wie heißt nochmal das Ding durch das man durchschauen kann, durch das alles größer wird? Was erwartet sie auf der ominösen Fasteninsel? Ein Abenteuer voller Gefahren, dummer Missgeschicke und verrückter Wortspielereien.

 



Raus aus dem Bau


Erstausstrahlung: 29.01.2004



Die Ameisen Jack, Joe und Sam haben genug davon sich tagtäglich abzurackern und beschließen ihrem Bau zu entfliehen, um anderswo ein besseres Leben zu beginnen. Zwar haben sie sehr wohl Überlegungen angestellt, wie ihr Leben danach aussehen könnte, die Flucht selbst erweist sich aber dann doch als gefährlich und nervenaufreibend. Ein interessanter Einblick in die Welt aus der Ameisenperspektive mit systemkritischen Ansätzen die zum Nachdenken und Schmunzeln anregen.





Odyssee durchs Wiener AKH


Erstausstrahlung: 26.02.2004



Peter Gravek und seine Mutter machen sich auf den Weg ins Krankenhaus, was sich für Beide als regelrechte Nervenprobe erweist. Sie wissen nicht wohin, treffen auf allerlei grauslige Patienten und ratlose Ärzte, wollen eigentlich nur noch nachhause, werden aber von endlosen Gängen und unverständlichen Lautsprecher-Durchsagen gepeinigt.





Fahrscheinkontrolleureschulung   


Erstausstrahlung: 10.04.2003



Die beiden Scherzküberln Vogeltanz und Kapautnik wollen sich zu Schwarzkapplern ausbilden lassen und treiben ihren Kursleiter mit dummen Fragen und wahnwitzigen Vorstellungen vom Arbeitsalltag in den Wahnsinn. Man erfährt allerdings auch etwas über das Mindset und die Regeln der Fahrscheinkontrolleure. Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass man einen Schwarzfahrer nicht abknallen darf?





Sonderfahrt nach Köln


Erstausstrahlung: 06.02.2003


Der Krankenwagenfahrer Herr Josef und sein Zivildiener Robin sollen die alte Frau Nimmersatt für eine spezielle Behandlung nach Köln überstellen. Eine etwas ruhigere Folge für Zwischendurch die durchaus nicht langweilig wird.






Fritz Egner entführt


Erstausstrahlung: 15.03.2001


Nach einer Aufzeichnung der Versteckten Kamera machen sich der Moderator Fritz Egner und seine Assistenten auf dem Weg zur ZDF-Kantine. Doch ehe sie soweit kommen geschieht etwas, dass an eine Folge der Twilight Zone erinnert: Egner verschwindet und kann sich seinen Begleitern nur noch als Stimme aus dem Nichts verständlich machen. Er behauptet von Riesenkippen in einem gewaltigen gläsernen Aschenbecher gefangen gehalten zu werden. Unsicher ob sie nicht gerade selbst zum Opfer einer versteckten Kamera werden, gehen die Anderen erstmal einen Kaffee trinken, als sich die Lage unerwartet zuspitzt...





Planet der Affen


Erstausstrahlung: 12.11.1998


Das Projekt X wirft einen Blick in den Alltag einer außergewöhnlichen Wohngemeinschaft, bestehend aus drei Affen: Chita, der besten Freundin von Tarzan, King Kong der so groß ist wie ein Scheunentor (in seiner Größe) und Lassie, die in Wahrheit kein Hund ist sondern eine Schauspielerin. Das Trio freut sich, denn der Fasching hat begonnen, was es ihnen Gelegenheit bietet frei herumzulaufen, weil alle glauben sie trügen nur ein Kostüm. In ihrer großen Freude lassen sie auch durchblicken, welche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ebenfalls Affen sind...




Bonus:




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EinBlick in die Seele der Gesellschaft: Sebastian Bohrn Mena im Kollektivpodcast In der intimen Atmosphäre des Kollektivpodcasts, einem Raum für tiefgründige Gespräche, die, wie der Name schon andeutet, für die gesamte Menschheit von Belang sein sollen, entfaltete sich ein Dialog von seltener Offenheit und Dringlichkeit. Zu Gast bei Musiker und Host David Pross war der Autor und bekannte TV-Analyst Sebastian Bohrn Mena. Was als Aufwärmrunde über seine ungewöhnliche Kindheit begann, entwickelte sich schnell zu einer messerscharfen Analyse der Zerreißproben, denen unsere moderne Welt ausgesetzt ist. Es war ein Gespräch, das von persönlichen Prägungen zu den größten Problemen der Menschheit führte und dabei die feinen Linien zwischen Psychologie, Politik und dem puren Menschsein nachzeichnete. Am Frühstückstisch der Therapeuten: Eine Kindheit unter dem Zeichen der Reflexion Wie prägt es einen Menschen, wenn beide Eltern Psychotherapeuten sind?. Diese Frage, von Host David Pross fast beiläufig gestellt, öffnete die Tür zu Bohrn Menas innerer Welt. Er erzählte von einer Kindheit, in der das Sprechen über Träume am Frühstückstisch zum Alltag gehörte. "Meine Mutter ist Psychoanalytikerin [...], mein Vater ist Gesprächstherapeut", schilderte er. Diese Konstellation sei als Kind grandios gewesen. Es war ein frühes Training in Selbstreflexion, das ihn lehrte, seine Emotionen zu ergründen und zu verstehen, was Erlebnisse mit ihm machen. Diese Erziehung, so wurde im Gespräch deutlich, ist der Nährboden für jene differenzierte Herangehensweise, die viele an seinen öffentlichen Auftritten schätzen – die Fähigkeit, auch in hitzigen Debatten nicht nur in Schwarz oder Weiß zu denken. "Dieses differenzierte Betrachten von Sachverhalten, von Personen, aber auch von sich selbst, ist eigentlich die Grundbasis dessen, was ich gelernt habe" , resümierte Bohrn Mena, der selbst einen Doktor der Psychotherapiewissenschaften besitzt. Dieses Rüstzeug erweist sich als unschätzbar, wenn er in Fernsehduellen auf politische Gegner trifft, wo es manchmal "sehr emotional, manchmal auch sehr persönlich wird". Besonders bei Themen wie Migration und Rassismus, die durch die Fluchtgeschichte seiner chilenischen Mutter tief in seiner eigenen Biografie verwurzelt sind, wird die professionelle Distanz zur Herausforderung. "Das triggert was in mir. Das muss ich ganz offen sagen". Er gestand, sich manchmal über sich selbst zu ärgern, wenn er emotional werde, wo er es nicht wollte. Doch er plädierte eindringlich dafür, sich die Menschlichkeit zu bewahren: "Trotzdem glaube ich, ist es wichtig, dass wir Menschen bleiben und das bedeutet, dass wir ehrlich reagieren auf etwas". Der bedrohte Grundkonsens: Ein Plädoyer für die Rettung der Demokratie Vom Persönlichen schlug die Unterhaltung den Bogen zu den großen gesellschaftlichen Verwerfungen. Als größtes Problem unserer Zeit identifizierte Bohrn Mena das systematische Erodieren der Demokratie. Über Jahrzehnte, so seine Analyse, sei den Menschen ein Denken in Konkurrenz und Ellenbogenmentalität eingetrichtert worden , das uns zu Gegnern statt zu Verbündeten mache. Dies höhle den Grundkonsens unserer Gesellschaft aus: die Solidarität und das Prinzip des Miteinanders. "Ich glaube tatsächlich, dass unsere Demokratie angezählt ist" , warnte er mit ernstem Unterton und verwies auf die wachsende Zahl von Menschen, die sich einen "starken Führer" wünschen. Host David Pross warf an dieser Stelle ein, dass es nicht nur ein emotionales, sondern auch ein massives intellektuelles Problem gäbe: eine mangelnde politische Grundbildung. Viele Bürger wüssten nicht einmal, was sie wählten, weil ihnen grundlegende Prinzipien wie die Gewaltentrennung fremd seien. Sein radikaler Vorschlag eines "Wahlführerscheins" stieß bei Bohrn Mena auf offene Ohren für eine Reform, auch wenn er den Hebel woanders ansetzen würde: bei der politischen Bildung, die bereits im Kindergarten beginnen müsse , und bei der Frage, warum man nicht stellvertretend für seine Kinder wählen dürfe, um deren Zukunft mehr Gewicht zu verleihen. Wut als Motor und die Falle des Populismus Einig waren sich beide, dass die Unzufriedenheit vieler Menschen, die "in der Früh hackeln geht und am Abend heimkommt", der Treibstoff für populistische Bewegungen ist. Die FPÖ, so Bohrn Mena, habe es perfektioniert, "der einzige Kanal für Wut in diesem Land" zu sein. Er warnte davor, diese Wut zu negieren, denn sie sei eine "unglaublich mächtige und wertvolle Emotion". Statt die Menschen zu beschwichtigen, müsse man anerkennen: "Du hast recht mit deiner Wut". Die Kunst bestehe darin, diese mobilisierende Kraft für ein gemeinschaftliches Ziel zu kanalisieren, anstatt sie einem "vermeintlich starken Mann" zu überlassen – ein Weg, der historisch betrachtet nicht gut ausgegangen sei. Zukunftsszenarien zwischen KI, Klimakrise und Krieg Das Gespräch navigierte weiter durch die großen Krisenherde der Zukunft. Die künstliche Intelligenz, die, wie Pross aus seiner Perspektive als Musiker schilderte, ganze Berufsfelder zu revolutionieren und zu vernichten droht , sei laut Bohrn Mena nur zu bewältigen, wenn die Politik dafür sorgt, dass die gigantischen Gewinne der Tech-Konzerne der Gemeinschaft zugutekommen. Es sei ein Verteilungsproblem , das sich auch in der Geringschätzung von unbezahlter Sorgearbeit, die meist von Frauen geleistet wird, zeige. Als weiteres existenzielles Megathema benannte er den Wert der Natur. Unser Wirtschaftssystem, das einem Baum erst dann einen Wert zubilligt, wenn man ihn umhackt, führe geradewegs in die Katastrophe. Wir müssten verstehen, "dass wir ein Bestandteil der Natur sind" und ihr wieder Raum geben. Den düsteren Abschluss bildete das Thema Krieg, das alle anderen Krisen wie unter einem Brennglas bündelt. Hier zeigte sich auch der einzige klare Dissens zwischen den Gesprächspartnern. Während Bohrn Mena leidenschaftlich argumentierte, dass es aus pazifistischer Sicht feige sei, einem überfallenen Volk wie der Ukraine die Waffen zur Selbstverteidigung zu verweigern , äußerte Pross sein tiefes Unverständnis darüber, wie Waffenlieferungen je eine Lösung für Krieg sein könnten. Es war ein Moment, der die ganze Komplexität und die moralischen Zwickmühlen unserer Zeit offenbarte. Das Gespräch im Kollektivpodcast war mehr als nur ein Interview. Es war eine gemeinsame, schonungslose Bestandsaufnahme, die den Zuhörer nachdenklich und mit dem Gefühl zurücklässt, dass die Rettung der Demokratie und die Bewältigung der globalen Krisen bei jedem Einzelnen und im gemeinschaftlichen Handeln beginnen. Eine Einladung, nicht wegzusehen, sondern sich einzumischen – und sich vielleicht die ganze, faszinierende Tiefe dieses Dialogs im Podcast selbst anzuhören.