UK-EXPORTS: RADIO COMEDY

2022 feiert die BBC ihr 100-jähriges Bestehen. Ihre bescheidenen Anfänge hatte der britische Sender selbstverständlich nicht im Fernsehen, sondern im Radio und natürlich gab es auch dort schon etliche Comedy-Programme, meist aus der Variety-Ecke. Während des Zweiten Weltkriegs dienten diese Sendungen der Truppenunterhaltung, danach bildeten sich einige mehr experimentelle, surreale und absurde Radioshows die den Grundstein für die spätere Comedyszene im Gesamten bildeten. Etliche von ihnen bekamen später eine eigene TV-Adaption und erlangten internationale Bekanntheit wie Little Britain oder die animierte Ricky Gervais Show. Im heutigen Artikel präsentieren wir einige nennenswerte Beispiele, manche bekannter als andere, aber alles in allem durchaus hörenswert und unglaublich komisch!






The Goon Show (1951 - 1960)




Eine Sendung die einen großen Einfluss auf die damals noch blutjungen Monty Pythons ausübte, war die Anfang der 1950er Jahre in Angriff genommene Hörspielreihe The Goon Show von Peter Sellers, Spike Milligan und Harry Secombe. Diese unterschied sich von anderen Hörspielen des BBC Home Service dahingehend, dass sie gespickt war mit völlig beknackten, surrealen Geschichten, aberwitzigen Wortgefechten und anarchen Soundspielereien aus dem Repertoire des stets experimentierfreudigen BBC Radiophonic Workshops.

Die Reihe erfreute sich höchster Beliebtheit und erreichte schnell Kultstatus. Ihr folgten Bühnenshows, Fernsehadaptionen, Bücher und mehr. Sie war auch ein großer Einfluss für den Humor der Beatles, im Speziellen John Lennon.







I'm Sorry, I'll Read That Again (1964 - 1973)


Ausgehend von der 1964 entstandenen Cambridge Footlights Revue, dem Cambridge Circus, entwickelten Tim Brooke-Taylor, Graeme Garden, Bill Oddie, John Cleese, Jo Kendall und David Hatch die Radiocomedy-Reihe Im Sorry, I'll Read That Again. Sie lief in neun Staffeln mit insgesamt 104 Folgen und war vor allem bei der damaligen Jugend sehr populär. Sie war auch ein gutes Versuchslabor für spätere Fernsehprojekte. Brooke-Taylor, Garden und Oddie machten sich in den 1970ern einen Namen als The Goodies. Cleese lieferte hier zusammen mit seinen späteren Monty Python-Kollegen Graham Chapman und Eric Idle Schreibarbeiten ab. Jo Kendall machte sich einen Namen als Schauspielerin und beliebte TV-Personality, wohingegen es David Hatch mehr in die diversen produktionsbedingten Funktion der BBC verschlug. Alles in allem hatte I'm Sorry, I'll Read That Again großen Einfluss auf die spätere britische Radiocomedy.






The Ricky Gervais Show (1998, 2001 - 2005)



Bevor sich Ricky Gervais und Stephen Merchant mit The Office einen Namen gemacht hatten, fabrizierten sie eine eigene Radioshow auf dem britischen Privatsender XFM (heute Radio X) in der sie über alles mögliche daher schwadronierten, das ihnen gerade in den Sinn kam. So richtig in Fahrt kam die Sendung aber erst nach ihrer Rückkehr im Jahr 2001, mit der Einbindung ihres etwas merkwürdigen neuen Produzenten Karl Pilkington und seiner komplett absurden Sicht auf die Welt. Oft macht es den Anschein der etwas autistisch anmutende Pilkington würde von Gervais und Merchant regelrecht verarscht und ausgebeutet, beim näheren hinhören stellt man allerdings fest, dass er selbst auch kein Unschuldsengel ist. In frühen Jahren soll er mit taktloser Kritik das schottische Model Gail Porter dazu gebracht haben in Tränen aufgelöst das Studio zu verlassen. Nach Ende der Radioshow fuhr das Trio mit eigenen Podcasts fort, die zwischen 2010 - 12 als nachanimierte Show im Hanna-Barbera-Stil auf HBO lief.








Kenny Everett (1964 - 94)




Maurice James Christopher Cole alias Kenny Everett begann seine Karriere Mitte der 1960er als Radio disc jockey für einen Piratensender, ehe er zu Radio Luxembourg und zahlreichen anderen Sender wechselte, die ihn nach einigen Kontroversen nicht selten vor die Tür setzten, nur um ihn dann reumütig wieder zurück zu holen. Sein großer Vorteil war, dass er sich mit zahlreichen Stars auf Augenhöhe bewegte, so setzte er sich unter anderem dafür ein, das Stück Bohemian Rhapsody von Queen salonfähig zu machen. Auch seine Talente als Comedian wurden schnell erkannt und ihm wurden eine Reihe schräger, surreal anmutender TV-Shows anvertraut, in denen auf kreative Weise mit dem damaligen Spezialeffekten experimentiert wurde. Everett outete sich Ende der 80er als homosexuell, was die Gerüchte anheizte er hätte etwas mit seinem langjährigen Freund Freddy Mercury gehabt - eine Behauptung die sich nie erhärtete. 1995 starb er an den Folgen einer Aids-Erkrankung. Sein enormer Einfluss auf die britische Popkultur ist aber auch heute noch zu spüren.


 



Blue Jam (1997 - 99)


In den frühen Morgenstunden des Jahres 1997 startete auf BBC Radio 1 die experimentelle Dark comedy und Horror-Reihe Blue Jam von Chris Morris, gespickt mit absurd-surrealen Szenen, Ambient, Sound effects und Musik von Serge Gainsbourg, Björk, Aphex Twin, Massive Attack, Beck, Moby etc. Zum Cast gehörten Chris Morris, Kevin Eldon, Julia Davis, Mark Heap, David Cann und Amelia Bullmore, zum weitreichenden Autorenteam u.a. Graham Lineham (Black Books, The IT Crowd), Arthur Mathews, Peter Baynham, David Quantick, Jane Bussmann und Robert Katz. 2000 erschien eine CD bei Warp Records, im selben Jahr erschien die Fernsehadaption Jam auf Channel 4.




#FEEDBACK

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EinBlick in die Seele der Gesellschaft: Sebastian Bohrn Mena im Kollektivpodcast In der intimen Atmosphäre des Kollektivpodcasts, einem Raum für tiefgründige Gespräche, die, wie der Name schon andeutet, für die gesamte Menschheit von Belang sein sollen, entfaltete sich ein Dialog von seltener Offenheit und Dringlichkeit. Zu Gast bei Musiker und Host David Pross war der Autor und bekannte TV-Analyst Sebastian Bohrn Mena. Was als Aufwärmrunde über seine ungewöhnliche Kindheit begann, entwickelte sich schnell zu einer messerscharfen Analyse der Zerreißproben, denen unsere moderne Welt ausgesetzt ist. Es war ein Gespräch, das von persönlichen Prägungen zu den größten Problemen der Menschheit führte und dabei die feinen Linien zwischen Psychologie, Politik und dem puren Menschsein nachzeichnete. Am Frühstückstisch der Therapeuten: Eine Kindheit unter dem Zeichen der Reflexion Wie prägt es einen Menschen, wenn beide Eltern Psychotherapeuten sind?. Diese Frage, von Host David Pross fast beiläufig gestellt, öffnete die Tür zu Bohrn Menas innerer Welt. Er erzählte von einer Kindheit, in der das Sprechen über Träume am Frühstückstisch zum Alltag gehörte. "Meine Mutter ist Psychoanalytikerin [...], mein Vater ist Gesprächstherapeut", schilderte er. Diese Konstellation sei als Kind grandios gewesen. Es war ein frühes Training in Selbstreflexion, das ihn lehrte, seine Emotionen zu ergründen und zu verstehen, was Erlebnisse mit ihm machen. Diese Erziehung, so wurde im Gespräch deutlich, ist der Nährboden für jene differenzierte Herangehensweise, die viele an seinen öffentlichen Auftritten schätzen – die Fähigkeit, auch in hitzigen Debatten nicht nur in Schwarz oder Weiß zu denken. "Dieses differenzierte Betrachten von Sachverhalten, von Personen, aber auch von sich selbst, ist eigentlich die Grundbasis dessen, was ich gelernt habe" , resümierte Bohrn Mena, der selbst einen Doktor der Psychotherapiewissenschaften besitzt. Dieses Rüstzeug erweist sich als unschätzbar, wenn er in Fernsehduellen auf politische Gegner trifft, wo es manchmal "sehr emotional, manchmal auch sehr persönlich wird". Besonders bei Themen wie Migration und Rassismus, die durch die Fluchtgeschichte seiner chilenischen Mutter tief in seiner eigenen Biografie verwurzelt sind, wird die professionelle Distanz zur Herausforderung. "Das triggert was in mir. Das muss ich ganz offen sagen". Er gestand, sich manchmal über sich selbst zu ärgern, wenn er emotional werde, wo er es nicht wollte. Doch er plädierte eindringlich dafür, sich die Menschlichkeit zu bewahren: "Trotzdem glaube ich, ist es wichtig, dass wir Menschen bleiben und das bedeutet, dass wir ehrlich reagieren auf etwas". Der bedrohte Grundkonsens: Ein Plädoyer für die Rettung der Demokratie Vom Persönlichen schlug die Unterhaltung den Bogen zu den großen gesellschaftlichen Verwerfungen. Als größtes Problem unserer Zeit identifizierte Bohrn Mena das systematische Erodieren der Demokratie. Über Jahrzehnte, so seine Analyse, sei den Menschen ein Denken in Konkurrenz und Ellenbogenmentalität eingetrichtert worden , das uns zu Gegnern statt zu Verbündeten mache. Dies höhle den Grundkonsens unserer Gesellschaft aus: die Solidarität und das Prinzip des Miteinanders. "Ich glaube tatsächlich, dass unsere Demokratie angezählt ist" , warnte er mit ernstem Unterton und verwies auf die wachsende Zahl von Menschen, die sich einen "starken Führer" wünschen. Host David Pross warf an dieser Stelle ein, dass es nicht nur ein emotionales, sondern auch ein massives intellektuelles Problem gäbe: eine mangelnde politische Grundbildung. Viele Bürger wüssten nicht einmal, was sie wählten, weil ihnen grundlegende Prinzipien wie die Gewaltentrennung fremd seien. Sein radikaler Vorschlag eines "Wahlführerscheins" stieß bei Bohrn Mena auf offene Ohren für eine Reform, auch wenn er den Hebel woanders ansetzen würde: bei der politischen Bildung, die bereits im Kindergarten beginnen müsse , und bei der Frage, warum man nicht stellvertretend für seine Kinder wählen dürfe, um deren Zukunft mehr Gewicht zu verleihen. Wut als Motor und die Falle des Populismus Einig waren sich beide, dass die Unzufriedenheit vieler Menschen, die "in der Früh hackeln geht und am Abend heimkommt", der Treibstoff für populistische Bewegungen ist. Die FPÖ, so Bohrn Mena, habe es perfektioniert, "der einzige Kanal für Wut in diesem Land" zu sein. Er warnte davor, diese Wut zu negieren, denn sie sei eine "unglaublich mächtige und wertvolle Emotion". Statt die Menschen zu beschwichtigen, müsse man anerkennen: "Du hast recht mit deiner Wut". Die Kunst bestehe darin, diese mobilisierende Kraft für ein gemeinschaftliches Ziel zu kanalisieren, anstatt sie einem "vermeintlich starken Mann" zu überlassen – ein Weg, der historisch betrachtet nicht gut ausgegangen sei. Zukunftsszenarien zwischen KI, Klimakrise und Krieg Das Gespräch navigierte weiter durch die großen Krisenherde der Zukunft. Die künstliche Intelligenz, die, wie Pross aus seiner Perspektive als Musiker schilderte, ganze Berufsfelder zu revolutionieren und zu vernichten droht , sei laut Bohrn Mena nur zu bewältigen, wenn die Politik dafür sorgt, dass die gigantischen Gewinne der Tech-Konzerne der Gemeinschaft zugutekommen. Es sei ein Verteilungsproblem , das sich auch in der Geringschätzung von unbezahlter Sorgearbeit, die meist von Frauen geleistet wird, zeige. Als weiteres existenzielles Megathema benannte er den Wert der Natur. Unser Wirtschaftssystem, das einem Baum erst dann einen Wert zubilligt, wenn man ihn umhackt, führe geradewegs in die Katastrophe. Wir müssten verstehen, "dass wir ein Bestandteil der Natur sind" und ihr wieder Raum geben. Den düsteren Abschluss bildete das Thema Krieg, das alle anderen Krisen wie unter einem Brennglas bündelt. Hier zeigte sich auch der einzige klare Dissens zwischen den Gesprächspartnern. Während Bohrn Mena leidenschaftlich argumentierte, dass es aus pazifistischer Sicht feige sei, einem überfallenen Volk wie der Ukraine die Waffen zur Selbstverteidigung zu verweigern , äußerte Pross sein tiefes Unverständnis darüber, wie Waffenlieferungen je eine Lösung für Krieg sein könnten. Es war ein Moment, der die ganze Komplexität und die moralischen Zwickmühlen unserer Zeit offenbarte. Das Gespräch im Kollektivpodcast war mehr als nur ein Interview. Es war eine gemeinsame, schonungslose Bestandsaufnahme, die den Zuhörer nachdenklich und mit dem Gefühl zurücklässt, dass die Rettung der Demokratie und die Bewältigung der globalen Krisen bei jedem Einzelnen und im gemeinschaftlichen Handeln beginnen. Eine Einladung, nicht wegzusehen, sondern sich einzumischen – und sich vielleicht die ganze, faszinierende Tiefe dieses Dialogs im Podcast selbst anzuhören.