UK-EXPORTS: POLITISCHE COMEDY

Die britische Comedy ist mehr als bloße Unterhaltung, sie ist ein Zeitzeugnis der jeweiligen Ära in der sie entstand. Etwas das man, wohl gemerkt, nicht nur in den politischeren Beiträgen beobachten kann! Aber wo wir schon mal davon sprechen: Auch in diesem Bereich haben die westeuropäischen Insulaner einige Prachtwerke zustande gebracht, die ihr hervorragendes Gespür für Komik unter Beweis stellen. In der letzten Ausgabe sprachen wir bereits über die Alternative Comedy-Welle der 1980er, der es an politischem Feuer definitiv nicht mangelte. Weniger anarch geht es diesmal weiter, wenn wir uns noch stärker in das Feld der systemischen Umtriebe vergraben, die auch im wirklichen Leben einige Überraschungen bieten: Man erinnere sich nur an die Aufnahmen aus dem House of Commons, die durch die leidige Brexit-Debatte und die herrliche Schlagfertigkeit des Speakers John Bercow zu memebarer Prominenz gelangten, siehe hier. Es mag auch überraschen zu erfahren, dass die Eiserne Lady, Margaret Thatcher einst den Dead Parrot-Sketch der Monty Pythons interpretierte, um sich über das Wappentier der Liberal Party lustig zu machen, siehe hier.


Man sieht also, dass selbst in diesen Kreisen ein gewisses Maß an geistreichem (Naja!) Humor vorhanden ist und das in einem Ausmaß, das man in unseren breiten Graden, in den Reihen der werten Politikerinnen und Politiker oft vergeblich sucht. Dementsprechend aufgeschlossener und bissiger ist bei den Briten die politische Comedy. Hier in Folge einige Beispiele:






The New Statesman




Kehren wir noch einmal kurz zur Alternative Comedy zurück! Zwischen 1987 - 92 zeigte ITV die politische Sitcom The New Statesman, eine grotesk-überzeichnete Satire auf die Conservative Party die seinerzeit das Land regierte. Im Mittelpunkt der Handlung steht der intrigante, schmierige und korrupte Hinterbänkler Alan B'Stard (Rik Mayall) dem jedes Mittel recht ist, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Er ist sich selbst dafür nicht zu fein mit Nazis zu paktieren und Verbündete ins offene Messer laufen zu lassen, wenn sie ihm zur Last werden. Die Serie war gespickt mit kritischen Seitenhieben gegen die Thatcher-Regierung, aber auch die Liberalen bekamen ihr Fett weg.








Yes, Minister




Zwischen 1980 - 84 auf der BBC zu sehen, gewährte die Serie Yes, Minister von Sir Antony Jay und Jonathan Lynn einige unterhaltsame und informative Einblicke in den Berufsalltag des Ministers James Hacker (Paul Eddington), der sich ehrlich um eine Verbesserung der Lebensumstände für seine Mitmenschen bemüht und seinem Gegenspieler, dem Staatssekretär Sir Humphrey Appleby (Nigel Hawthorne) welcher der Elite und dem Beamtenapparat treu ergeben ist. Hacker zur Seite steht der für seine Wortspiele berüchtigte Referent Bernard Woolley (Derek Fowlds). Statt sich über eine oder mehrere Parteien im Konkreten lustig zu machen, wurde hier die Politik im Ganzen satirisch aufgearbeitet und Begriffe wie "Liberal" oder "Conservative" bewusst vermieden. Yes, Minister belegte Platz 6 der besten britischen Sitcoms (BBC) und fand zwischen 1986 - 88 eine Fortsetzung in Yes, Prime Minister, sowie Ableger in Kanada, Indien und der Türkei. 2013 gab es ein kurzzeitiges Revival der Serie auf dem britischen Sender Gold. Bemerkenswert ist noch, dass sie als Lieblingsserie der damaligen Premierministerin Margaret Thatcher galt, die 1984 sogar in einem kleinen Sketch mit Eddington und Hawthorne auftrat.







Bird & Fortune



John Fortune (1939 – 2013) und John Bird (1936 ~), auch bekannt als das The Two Johns waren über viele Jahre bekannt für ihre bissige politische Satire. Zusammen mit dem schottischen Impressionisten Rory Bremner (1961 ~) gestalteten sie auf Channel 4 zwischen 1999 und 2010 die Sketchshow Bremner, Bird and Fortune. Zu ihren bekanntesten Nummern zählen eine Reihe von Interviews in dem jeweils einer der Beiden eine hochrangige Persönlichkeit, einen Politiker, Bankier, Offizier o.ä. namens George Parr darstellt, der mit einer absurden Selbstverständlichkeit die Idiotie seines Aufgabenbereichs offenlegt. Oft wurden damit gerade aktuelle Krisenherde auf's Korn genommen.








The Thick of it




Als moderne politische Satire die das Konzept von Yes, Minister ins 21ste Jahrhundert bringen sollte, kreierte der italienisch-stämmige Schotte Armando Iannucci die Serie The Thick of it, die zwischen 2005 und 2012 auf der BBC ausgestrahlt wurde. Sie vertieft sich noch stärker in die konfliktreiche Welt der Parteien, Spin-Doctors, Berater und Medien. Im Zentrum steht dabei das fiktive Department of Social Affairs and Citizenship (DoSAC) unter der Leitung von Minister Hugh Abbot (Chris Langham), der mit dem aggressiven, wildfluchenden Handlanger des Premierministers, Malcolm Tucker (Peter Capaldi) zurecht kommen muss. Er wird später durch die Ministerin Nicola Murray (Rebecca Front) ersetzt. The Thick of it sollte 2007 ein erstes amerikanisches Remake erhalten, die ABC entschied sich aber nach Produktion der Pilotfolge dagegen, von der auch Iannucci wenig begeistert war. 2009 wurde die Serie als Spielfilm neu adaptiert. Von 2012 - 19 lief der zweite, von Iannucci und seinem Team mitgestaltete Versuch eines Remakes unter dem Namen Veep, mit Julia Louise-Dreyfus und großem Erfolg auf HBO.


 





Whoops Apocalypse


Eine 1982 produzierte, sechsteilige Sitcom über das Ende der Welt durch die Hand unfähiger Politiker, fanatischer Fundamentalisten und einer Reihe völlig absurder Ereignisse. Kreiert von Andrew Marshall & David Renwick für ITV und 1986 als gleichnamiger Spielfilm überarbeitet, ist Whoops Apocalypse gespickt mit alberner Politsatire, rasanter Situationskomik und zahlreiche popkulturelle Anspielungen seiner Zeit. So tragen einige der handelnden Personen die Namen bekannter Comikhelden von Marvel und DC Comiks, wie President Johnny Cyclops (Barry Morse) oder der Nachrichtensprecher Jay Garrick (Ed Bishop). Zum Cast zählen unter anderem John Cleese, Rik Mayall, Alexei Sayle, Geoffrey Palmer und Peter Jones.




#FEEDBACK

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EinBlick in die Seele der Gesellschaft: Sebastian Bohrn Mena im Kollektivpodcast In der intimen Atmosphäre des Kollektivpodcasts, einem Raum für tiefgründige Gespräche, die, wie der Name schon andeutet, für die gesamte Menschheit von Belang sein sollen, entfaltete sich ein Dialog von seltener Offenheit und Dringlichkeit. Zu Gast bei Musiker und Host David Pross war der Autor und bekannte TV-Analyst Sebastian Bohrn Mena. Was als Aufwärmrunde über seine ungewöhnliche Kindheit begann, entwickelte sich schnell zu einer messerscharfen Analyse der Zerreißproben, denen unsere moderne Welt ausgesetzt ist. Es war ein Gespräch, das von persönlichen Prägungen zu den größten Problemen der Menschheit führte und dabei die feinen Linien zwischen Psychologie, Politik und dem puren Menschsein nachzeichnete. Am Frühstückstisch der Therapeuten: Eine Kindheit unter dem Zeichen der Reflexion Wie prägt es einen Menschen, wenn beide Eltern Psychotherapeuten sind?. Diese Frage, von Host David Pross fast beiläufig gestellt, öffnete die Tür zu Bohrn Menas innerer Welt. Er erzählte von einer Kindheit, in der das Sprechen über Träume am Frühstückstisch zum Alltag gehörte. "Meine Mutter ist Psychoanalytikerin [...], mein Vater ist Gesprächstherapeut", schilderte er. Diese Konstellation sei als Kind grandios gewesen. Es war ein frühes Training in Selbstreflexion, das ihn lehrte, seine Emotionen zu ergründen und zu verstehen, was Erlebnisse mit ihm machen. Diese Erziehung, so wurde im Gespräch deutlich, ist der Nährboden für jene differenzierte Herangehensweise, die viele an seinen öffentlichen Auftritten schätzen – die Fähigkeit, auch in hitzigen Debatten nicht nur in Schwarz oder Weiß zu denken. "Dieses differenzierte Betrachten von Sachverhalten, von Personen, aber auch von sich selbst, ist eigentlich die Grundbasis dessen, was ich gelernt habe" , resümierte Bohrn Mena, der selbst einen Doktor der Psychotherapiewissenschaften besitzt. Dieses Rüstzeug erweist sich als unschätzbar, wenn er in Fernsehduellen auf politische Gegner trifft, wo es manchmal "sehr emotional, manchmal auch sehr persönlich wird". Besonders bei Themen wie Migration und Rassismus, die durch die Fluchtgeschichte seiner chilenischen Mutter tief in seiner eigenen Biografie verwurzelt sind, wird die professionelle Distanz zur Herausforderung. "Das triggert was in mir. Das muss ich ganz offen sagen". Er gestand, sich manchmal über sich selbst zu ärgern, wenn er emotional werde, wo er es nicht wollte. Doch er plädierte eindringlich dafür, sich die Menschlichkeit zu bewahren: "Trotzdem glaube ich, ist es wichtig, dass wir Menschen bleiben und das bedeutet, dass wir ehrlich reagieren auf etwas". Der bedrohte Grundkonsens: Ein Plädoyer für die Rettung der Demokratie Vom Persönlichen schlug die Unterhaltung den Bogen zu den großen gesellschaftlichen Verwerfungen. Als größtes Problem unserer Zeit identifizierte Bohrn Mena das systematische Erodieren der Demokratie. Über Jahrzehnte, so seine Analyse, sei den Menschen ein Denken in Konkurrenz und Ellenbogenmentalität eingetrichtert worden , das uns zu Gegnern statt zu Verbündeten mache. Dies höhle den Grundkonsens unserer Gesellschaft aus: die Solidarität und das Prinzip des Miteinanders. "Ich glaube tatsächlich, dass unsere Demokratie angezählt ist" , warnte er mit ernstem Unterton und verwies auf die wachsende Zahl von Menschen, die sich einen "starken Führer" wünschen. Host David Pross warf an dieser Stelle ein, dass es nicht nur ein emotionales, sondern auch ein massives intellektuelles Problem gäbe: eine mangelnde politische Grundbildung. Viele Bürger wüssten nicht einmal, was sie wählten, weil ihnen grundlegende Prinzipien wie die Gewaltentrennung fremd seien. Sein radikaler Vorschlag eines "Wahlführerscheins" stieß bei Bohrn Mena auf offene Ohren für eine Reform, auch wenn er den Hebel woanders ansetzen würde: bei der politischen Bildung, die bereits im Kindergarten beginnen müsse , und bei der Frage, warum man nicht stellvertretend für seine Kinder wählen dürfe, um deren Zukunft mehr Gewicht zu verleihen. Wut als Motor und die Falle des Populismus Einig waren sich beide, dass die Unzufriedenheit vieler Menschen, die "in der Früh hackeln geht und am Abend heimkommt", der Treibstoff für populistische Bewegungen ist. Die FPÖ, so Bohrn Mena, habe es perfektioniert, "der einzige Kanal für Wut in diesem Land" zu sein. Er warnte davor, diese Wut zu negieren, denn sie sei eine "unglaublich mächtige und wertvolle Emotion". Statt die Menschen zu beschwichtigen, müsse man anerkennen: "Du hast recht mit deiner Wut". Die Kunst bestehe darin, diese mobilisierende Kraft für ein gemeinschaftliches Ziel zu kanalisieren, anstatt sie einem "vermeintlich starken Mann" zu überlassen – ein Weg, der historisch betrachtet nicht gut ausgegangen sei. Zukunftsszenarien zwischen KI, Klimakrise und Krieg Das Gespräch navigierte weiter durch die großen Krisenherde der Zukunft. Die künstliche Intelligenz, die, wie Pross aus seiner Perspektive als Musiker schilderte, ganze Berufsfelder zu revolutionieren und zu vernichten droht , sei laut Bohrn Mena nur zu bewältigen, wenn die Politik dafür sorgt, dass die gigantischen Gewinne der Tech-Konzerne der Gemeinschaft zugutekommen. Es sei ein Verteilungsproblem , das sich auch in der Geringschätzung von unbezahlter Sorgearbeit, die meist von Frauen geleistet wird, zeige. Als weiteres existenzielles Megathema benannte er den Wert der Natur. Unser Wirtschaftssystem, das einem Baum erst dann einen Wert zubilligt, wenn man ihn umhackt, führe geradewegs in die Katastrophe. Wir müssten verstehen, "dass wir ein Bestandteil der Natur sind" und ihr wieder Raum geben. Den düsteren Abschluss bildete das Thema Krieg, das alle anderen Krisen wie unter einem Brennglas bündelt. Hier zeigte sich auch der einzige klare Dissens zwischen den Gesprächspartnern. Während Bohrn Mena leidenschaftlich argumentierte, dass es aus pazifistischer Sicht feige sei, einem überfallenen Volk wie der Ukraine die Waffen zur Selbstverteidigung zu verweigern , äußerte Pross sein tiefes Unverständnis darüber, wie Waffenlieferungen je eine Lösung für Krieg sein könnten. Es war ein Moment, der die ganze Komplexität und die moralischen Zwickmühlen unserer Zeit offenbarte. Das Gespräch im Kollektivpodcast war mehr als nur ein Interview. Es war eine gemeinsame, schonungslose Bestandsaufnahme, die den Zuhörer nachdenklich und mit dem Gefühl zurücklässt, dass die Rettung der Demokratie und die Bewältigung der globalen Krisen bei jedem Einzelnen und im gemeinschaftlichen Handeln beginnen. Eine Einladung, nicht wegzusehen, sondern sich einzumischen – und sich vielleicht die ganze, faszinierende Tiefe dieses Dialogs im Podcast selbst anzuhören.