RETTET DIE JUGENDKULTUR




Heute morgen stieß ich über einen alten Freund auf einen Standard-Artikel mit dem Titel Die Jugend ist in Salzburg nicht willkommen. Worum es dabei geht, darauf komme ich gleich zu sprechen. Zunächst möchte ich aber darauf hinweisen, dass die aktuellen Ereignisse in Salzburg kein Einzelfall und auch in anderen Städten vorzufinden sind. Was man dagegen unternehmen kann und auch unbedingt sollte, dazu komme ich auch noch...


In besagtem Artikel ging es primär um den Umbau des berüchtigten Rudolfskai in der Salzburger Altstadt, einer langjährigen Partymeile bekannt für völlig überfüllte Lokale, Alkoholexzesse und Schlägereien, die jetzt einer schicken Flaniermeile weichen soll. An sich keine schlechte Idee! Die Altstadt leidet meines Erachtens schon lange an dem Problem sich tagsüber als Touristenfalle zu geben, die wenig Platz für die SalzburgerInnen selbst lässt, was damit ausgeglichen wird es ihnen zu gestatten, zumindest nachts die Sau rauszulassen. Hat ein bisschen was von The Purge!


Ihnen stattdessen einen Ort der sinnvollen Freizeitgestaltung zu bieten wäre ja eine feine Sache. Allerdings steckt da erfahrungsgemäß eine andere Agenda dahinter und die hat wie gewohnt mit dem alles zersetzenden Monster Tourismus zu tun. Trifft es nur Jugendliche? Nein! Aber die Aussage stimmt schon: Die Jugendlichen werden systematisch aus dem Herzen der Stadt verbannt! In dem Artikel ist auch von der drohenden Schließung eines der ältesten Jugendzentren der Stadt, dem Yoco die Rede, welches eine der letzten Bastionen der eigentlichen Jugendkultur in der Innenstadt ist. Sprich: Nicht einfach Party, Skaterparks und Spielplätze, was die Stadtpolitik schon seit längerem unter "Jugendkultur" missversteht, sondern wirkliche Kulturarbeit mit jungen Menschen die hier lernen als Künstler, Band, Literaten, Theatergruppe oder Kulturveranstalter aktiv zu werden, sich politisch zu bilden und für eine gemeinsame Sache einzustehen.


Man kann natürlich einwenden, dass die Zeit der Jugendzentren längst vorbei ist und sich die Leute doch einfach in den Cafés und Beisln treffen können. Tja, wenn sie das nur könnten! Aber besagte Lokale sind schon längst mit Touristen vollgestopft, die es sich leisten können die horrenden Preise zu zahlen die hier zum Großteil verlangt werden. Eine einfache Schülerin wird da mit ihrem Taschengeld nicht lange mithalten können! Orte an denen sie und ihre Freunde ohne Konsumzwang verweilen können, sind rar geworden. Kulturzentren, gerade für junge Menschen werden hier bewusst ins Ghetto gedrängt, was man am Schicksal des einst einflussreichsten Kulturzentrums der Stadt, dem MARK sehr eindringlich beobachten kann. Dieses wurde vor einigen Jahren nach Sam verdrängt, wo es schlechte Verkehrsanbindungen, gerade ab einer gewissen Uhrzeit, enorm erschweren Publikum anzuziehen.


Vielen erwachsenen SalzburgerInnen ist das egal! Sollte es aber nicht, auch da sie sich mit dieser Einstellung selbst ins Bein schießen. Schon jetzt sind die Mietpreise in Salzburg viel zu hoch, selbst wenn man nicht direkt in der Altstadt wohnt. Wie schlimm wird es erst, wenn die Stadt noch attraktiver für Touristen und Festspielgäste gemacht wird? Wenn das Prestige überwiegt und keine aktive Jugendkultur - wie auch immer geartet - mehr als Puffer vorhanden ist?







Was wir tun können



Die Subkultur der Stadt Salzburg hat eine erstaunliche Geschichte aus der man eine Menge lernen kann. Man nehme nur die Bunten Demos zur Festspielzeit in den 1980ern, die viel Platz für performative Aktionskunst ließen und zur Gründung der ARGE Nonntal führten. Ende der 1960er prozessierten junge Kulturschaffende gegen das ungerechte Festspielschutzgesetz das andere Veranstaltungen während der Festspielzeit unterbinden sollte. Sie gewannen und gründeten die Festivalreihe Szene der Jugend, aus dem später die Szene Salzburg wurde. Anfang der 1990er gab es mit Bongo 500 auch einen eigenen Piratensender der von den Bergen der Stadt aus sendete und aus dem später der legale Freie Rundfunk hervorging.


Das große Problem ist, dass jene die seinerzeit federführend für derlei Aktionen waren, mittlerweile zu Subventionsnehmern geworden sind, die viel riskieren wenn sie sich gegen die Stadtpolitik auflehnen. Das bereits erwähnte MARK kämpft alle paar Jahre auf's Neue um ihre Subventionen, selbst wenn diese bereits fest zugesagt wurden. Das langfristige Ziel muss daher lauten sich möglichst unabhängig von Subventionen zu machen und neue Wege zu finden an Gelder zu kommen. Oder zumindest eine starke Vertretung der jungen Kulturarbeit auf die Beine zu stellen, die unabhängig, parteilos und stark ist.


Es wird Zeit für ein großes Treffen, die Ressourcen zu bündeln und neue Ideen auszutauschen die dabei helfen können die Jugendkultur zurück in die Innenstadt zu bringen. Dafür bedarf es großer Gesten, einer Öffnung gegenüber neuer Ideen und den Mut etwas auf die Beine zu stellen, das auch weit über die Grenzen Salzburgs hinaus noch zu spüren ist. Kooperationen mit Kulturvertretern anderer Städte müssen her, Erfahrungsaustausch, das ganze Programm. Es ist viel Arbeit, aber notwendig und gemeinsam packbar!


#FEEDBACK

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EinBlick in die Seele der Gesellschaft: Sebastian Bohrn Mena im Kollektivpodcast In der intimen Atmosphäre des Kollektivpodcasts, einem Raum für tiefgründige Gespräche, die, wie der Name schon andeutet, für die gesamte Menschheit von Belang sein sollen, entfaltete sich ein Dialog von seltener Offenheit und Dringlichkeit. Zu Gast bei Musiker und Host David Pross war der Autor und bekannte TV-Analyst Sebastian Bohrn Mena. Was als Aufwärmrunde über seine ungewöhnliche Kindheit begann, entwickelte sich schnell zu einer messerscharfen Analyse der Zerreißproben, denen unsere moderne Welt ausgesetzt ist. Es war ein Gespräch, das von persönlichen Prägungen zu den größten Problemen der Menschheit führte und dabei die feinen Linien zwischen Psychologie, Politik und dem puren Menschsein nachzeichnete. Am Frühstückstisch der Therapeuten: Eine Kindheit unter dem Zeichen der Reflexion Wie prägt es einen Menschen, wenn beide Eltern Psychotherapeuten sind?. Diese Frage, von Host David Pross fast beiläufig gestellt, öffnete die Tür zu Bohrn Menas innerer Welt. Er erzählte von einer Kindheit, in der das Sprechen über Träume am Frühstückstisch zum Alltag gehörte. "Meine Mutter ist Psychoanalytikerin [...], mein Vater ist Gesprächstherapeut", schilderte er. Diese Konstellation sei als Kind grandios gewesen. Es war ein frühes Training in Selbstreflexion, das ihn lehrte, seine Emotionen zu ergründen und zu verstehen, was Erlebnisse mit ihm machen. Diese Erziehung, so wurde im Gespräch deutlich, ist der Nährboden für jene differenzierte Herangehensweise, die viele an seinen öffentlichen Auftritten schätzen – die Fähigkeit, auch in hitzigen Debatten nicht nur in Schwarz oder Weiß zu denken. "Dieses differenzierte Betrachten von Sachverhalten, von Personen, aber auch von sich selbst, ist eigentlich die Grundbasis dessen, was ich gelernt habe" , resümierte Bohrn Mena, der selbst einen Doktor der Psychotherapiewissenschaften besitzt. Dieses Rüstzeug erweist sich als unschätzbar, wenn er in Fernsehduellen auf politische Gegner trifft, wo es manchmal "sehr emotional, manchmal auch sehr persönlich wird". Besonders bei Themen wie Migration und Rassismus, die durch die Fluchtgeschichte seiner chilenischen Mutter tief in seiner eigenen Biografie verwurzelt sind, wird die professionelle Distanz zur Herausforderung. "Das triggert was in mir. Das muss ich ganz offen sagen". Er gestand, sich manchmal über sich selbst zu ärgern, wenn er emotional werde, wo er es nicht wollte. Doch er plädierte eindringlich dafür, sich die Menschlichkeit zu bewahren: "Trotzdem glaube ich, ist es wichtig, dass wir Menschen bleiben und das bedeutet, dass wir ehrlich reagieren auf etwas". Der bedrohte Grundkonsens: Ein Plädoyer für die Rettung der Demokratie Vom Persönlichen schlug die Unterhaltung den Bogen zu den großen gesellschaftlichen Verwerfungen. Als größtes Problem unserer Zeit identifizierte Bohrn Mena das systematische Erodieren der Demokratie. Über Jahrzehnte, so seine Analyse, sei den Menschen ein Denken in Konkurrenz und Ellenbogenmentalität eingetrichtert worden , das uns zu Gegnern statt zu Verbündeten mache. Dies höhle den Grundkonsens unserer Gesellschaft aus: die Solidarität und das Prinzip des Miteinanders. "Ich glaube tatsächlich, dass unsere Demokratie angezählt ist" , warnte er mit ernstem Unterton und verwies auf die wachsende Zahl von Menschen, die sich einen "starken Führer" wünschen. Host David Pross warf an dieser Stelle ein, dass es nicht nur ein emotionales, sondern auch ein massives intellektuelles Problem gäbe: eine mangelnde politische Grundbildung. Viele Bürger wüssten nicht einmal, was sie wählten, weil ihnen grundlegende Prinzipien wie die Gewaltentrennung fremd seien. Sein radikaler Vorschlag eines "Wahlführerscheins" stieß bei Bohrn Mena auf offene Ohren für eine Reform, auch wenn er den Hebel woanders ansetzen würde: bei der politischen Bildung, die bereits im Kindergarten beginnen müsse , und bei der Frage, warum man nicht stellvertretend für seine Kinder wählen dürfe, um deren Zukunft mehr Gewicht zu verleihen. Wut als Motor und die Falle des Populismus Einig waren sich beide, dass die Unzufriedenheit vieler Menschen, die "in der Früh hackeln geht und am Abend heimkommt", der Treibstoff für populistische Bewegungen ist. Die FPÖ, so Bohrn Mena, habe es perfektioniert, "der einzige Kanal für Wut in diesem Land" zu sein. Er warnte davor, diese Wut zu negieren, denn sie sei eine "unglaublich mächtige und wertvolle Emotion". Statt die Menschen zu beschwichtigen, müsse man anerkennen: "Du hast recht mit deiner Wut". Die Kunst bestehe darin, diese mobilisierende Kraft für ein gemeinschaftliches Ziel zu kanalisieren, anstatt sie einem "vermeintlich starken Mann" zu überlassen – ein Weg, der historisch betrachtet nicht gut ausgegangen sei. Zukunftsszenarien zwischen KI, Klimakrise und Krieg Das Gespräch navigierte weiter durch die großen Krisenherde der Zukunft. Die künstliche Intelligenz, die, wie Pross aus seiner Perspektive als Musiker schilderte, ganze Berufsfelder zu revolutionieren und zu vernichten droht , sei laut Bohrn Mena nur zu bewältigen, wenn die Politik dafür sorgt, dass die gigantischen Gewinne der Tech-Konzerne der Gemeinschaft zugutekommen. Es sei ein Verteilungsproblem , das sich auch in der Geringschätzung von unbezahlter Sorgearbeit, die meist von Frauen geleistet wird, zeige. Als weiteres existenzielles Megathema benannte er den Wert der Natur. Unser Wirtschaftssystem, das einem Baum erst dann einen Wert zubilligt, wenn man ihn umhackt, führe geradewegs in die Katastrophe. Wir müssten verstehen, "dass wir ein Bestandteil der Natur sind" und ihr wieder Raum geben. Den düsteren Abschluss bildete das Thema Krieg, das alle anderen Krisen wie unter einem Brennglas bündelt. Hier zeigte sich auch der einzige klare Dissens zwischen den Gesprächspartnern. Während Bohrn Mena leidenschaftlich argumentierte, dass es aus pazifistischer Sicht feige sei, einem überfallenen Volk wie der Ukraine die Waffen zur Selbstverteidigung zu verweigern , äußerte Pross sein tiefes Unverständnis darüber, wie Waffenlieferungen je eine Lösung für Krieg sein könnten. Es war ein Moment, der die ganze Komplexität und die moralischen Zwickmühlen unserer Zeit offenbarte. Das Gespräch im Kollektivpodcast war mehr als nur ein Interview. Es war eine gemeinsame, schonungslose Bestandsaufnahme, die den Zuhörer nachdenklich und mit dem Gefühl zurücklässt, dass die Rettung der Demokratie und die Bewältigung der globalen Krisen bei jedem Einzelnen und im gemeinschaftlichen Handeln beginnen. Eine Einladung, nicht wegzusehen, sondern sich einzumischen – und sich vielleicht die ganze, faszinierende Tiefe dieses Dialogs im Podcast selbst anzuhören.