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FASZINATION LIVE-ÜBERTRAGUNG

FASZINATION LIVE-ÜBERTRAGUNG - INTERVIEW MIT EINEM BRANCHEN-INSIDER

Um die Geschichte der Live-Übertragung zu erzählen müssen wir sehr weit zurück. Im Prinzip ist das nämlich die Geschichte der Informationsübermittlung zwischen Sender und Empfänger. Nicht nur technisch - sondern auch mechanisch und MENSCHLICH. Man denke zum Beispiel an die Möglichkeit mittels Kirchenglocke die Uhrzeit quasi "live" zu übertragen oder entlang von Bergketten vor herannahenden Bedrohungen zu warnen, indem man Feuer entzündet. Man könnte soweit gehen und den weißen Rauch, der bei der Wahl des neuen Pontifex emporsteigt als eine Art diskreter "Live-Übertragung" zu bezeichnen. Denn das Ergebnis ist immer dasselbe: Menschen erhalten eine Information, eine Art Stimmungsbild vermittelt - über aktuelles Zeitgeschehen.


Erstes Fussball-Spiel im Radio


Im Radio und im Fernsehen haben Live-Übertragungen ebenso bereits eine sehr lange Geschichte. Das Länderspiel gegen Ungarn (5:1) mit der Reportage von Wilhelm Schmieger in Feuilletonqualität und „Tribünengeräusch“ stellte diesbezügliche eine Wegmarke dar. Es wurde als erstes Fussballspiel im Oktober 1928 live übertragen. Die Faszination der Menschen an der Live-Übertragung des Spiels war damals so groß, dass man sogar ein erstes "Public Hearing" des Spiels auf dem Wiener Heldenplatz einrichtete, berichten Historiker dem Kollektiv Magazin.


Freilich - Radio Liveübertragungen waren schneller möglich als Fernseh-Übertragungen, die im Anschluss die ersten waschechten Großevents provozierten. Doch dazu im weiteren Verlauf der Reportage mehr.


In einem ihrer zahlreichen Interviews berichtet beispielsweise die amerikanische Schauspielerin Betty White (bekannt durch Golden Girls) über die Anfänge des Fernsehens in den USA und darüber, wie sie das damals das Kinderprogramm am Nachmittag live improvisieren sollte. Sie meinte, dass was sie damals gemacht hätte, wäre heutzutage zwar nicht mehr sendefähig - jedoch hätte gerade dieses Aufgabe - vor Publikum live zu performen - ihr das nötige Rüstzeug für spätere Engagements und Rollen verschafft. Tatsächlich glänzt sie bis ins hohe Alter mit einer großen Improvisations-Fähigkeit und einer schnellen Auffassungsgabe.

Live ist so wie das Leben - Unkorrigierbar


Live zu senden - als Moderator oder Künstler - ist Performance im freien Fall. Ein künstlerisch-kreativer Freiflug. Denn was einmal über den Äther geschossen wurde, ist für immer draussen. Unveränderbar und für immer in den Archiven der diversen Radio- und TV-Stationen - in den Mitschnitten der zahlreichen ZuhörerInnen und ZuschauerInnen gefangen. „Heutzutage noch schlimmer: In den sozialen Netzwerken des Grauens für immer gefangen in niemals enden wollenden Loops von TikTok und dergleichen. Alles was das Potential zum Meme hat und nur ansatzweise lustig ist, wird sofort bewusst fehlinterpretiert und inhaltlich vergewaltigt.“, so ein Branchen-Insider gegenüber dem Kollektiv-Magazin.


Albtraum für den Künstler - eine große Chance für provozierende Gestalten


Was dem Künstler ein Albraum ist – wird zum gefunden Fressen für provozierende Persönlichkeiten, die sich gerade in Zeiten der Krise natürlich die Quoten mit beiden Händen schnappen. „Schau mal was der da im Fernsehen sagt. Das ist ja der Wahnsinn. Schau dir das an!?“ Solche Aussagen wollen sie provozieren und überschreiten daher oftmals nicht nur die Grenzen des guten Geschmacks sondern auch die des Anstands. Sie nehmen gerade dann den Mund besonders voll wenn sie live drauf sind - fragen sogar danach: "Wird das eh live gesendet?" Denn sonst - so sagen sie - würden sie "es" nicht fühlen.
„Einmal hat mir ein Gast gesagt, wenn wir das nicht live senden, würde er gar nicht kommen weil er dann die Angst hätte, geschnitten zu werden“, berichtet ein Medienmacher.


Doch was genau fühlen sie da? Den "Druck", den "Thrill" - wollen sie sich hier ihre "Dosis" LIVE abholen?


„Tatsächlich ist das Gefühl eine Sendung wirklich LIVE zu moderieren wie eine Droge. Nach 5 Jahren in der selben Sendeschiene merkst du das irgendwann zwar nicht mehr so dramatisch und direkt, wenn du aber in den Urlaub gehst oder den Job wechselst und dann nicht mehr so viel im Radio zu hören bist dann fühlt sich das an wie kalter Entzug.“, berichtet ein ehemaliger Radiomoderator exklusiv dem Kollektiv-Magazin.


Gib den Menschen Macht und du erkennst ihren Charakter


Live und "unzensiert" zu tausenden Menschen gleichzeitig zu sprechen - das ist nach wie vor ein Privileg. Natürlich auch eine großartige Gelegenheit für Hobby- und Berufsnarzissten ihre Ideen und vermeintlichen "Expertisen" weiterzuverbreiten. "Ich kann mich noch gut an diese eine Live-Übertragung erinnern von einer Party, bei der einer der besoffenen Partygäste mir das Mikro aus der Hand reißt und tatsächlich "Heil Hitler" hineinschreit. Ich habe mir das Mikro natürlich sofort zurückgeholt und gesagt, dass wir uns als Sender von dieser Aussage klar distanzieren wollen und der junge Mann wohl zu viel getrunken hatte. Doch natürlich hat man als Sendungsmacher, als Radio- und/oder Fernsehsender immer die Letzverantwortung über das, was gesendet wird. Da geht einem schon der sprichtwörtliche „Reis“ in dem Moment. Denn wenn das jemand meldet, geht das bis zum Lizenzentzugsverfahren bei der Radiobehörde.", erzählt der Radiomacher aus seinem umfangreichen Erfahrungsschatz.


Ist es die Macht des Unmittelbaren, unzensierten, die die Menschen hinzieht zu einer Live-Übertragung? Das „Privileg“ jedenfalls ein Event oder eine Sendung egal welcher Art live moderieren zu dürfen ist jedenfalls nicht Jedermanns oder Jederfraus Sache. Manche leiden unter dem „Druck“ der roten „On-Air-Lampe“ und würden sich gerne mehr auf ihre Sendungen vorbereiten. Eine oberösterreichische Radiomacherin zum Beispiel zeichnet ihre gesamten Sendungen lieber vor auf. Sie meint, dadurch kommen ihr viel bessere, lustigere Ideen für die Sendungsgestaltung eben WEIL sie den „Druck“ es bei einer Live-Sendung auf „Knopfdruck“ bringen zu müssen, nicht habe.


Live wie das Leben


Das Leben ist Live. Unkorrigierbare Fehler sind eine Tatsache, mit der wir Menschen leben müssen. Wir müssen daraus lernen und versuchen, unseren Weg weiter zu gehen. Wie können uns Live-Übertragungen und Sendungen dabei helfen? Wie auch im Kino – wenn hunderte Menschen gemeinsam in einem dunklen Raum sitzen – und gemeinsam dieses unmittelbare Kinofilm-Erlebnis teilen. Im Stadion wenn tausende begeisterte Fußball-Fans ihrer Mannschaft zujubeln, beim Public-Viewing in aller Welt die Biergläser fliegen und im Freudentaumel liebestrunken wildfremde Personen umarmt werden – wird klar. Live-Übertragungen sind das Blut in den Adern der ansonsten so kalt gewordenen Medienwelt die an vielen Ecken nur noch aus Angst und Panikmache zu bestehen scheint.


Beobachten Sie sich beim betrachten oder anhören der nächsten Live-Sendung oder Live-Übertragung. Und wenn der Moderator oder die Moderatorin ihnen durch die Tatsache näher scheint, als bei einer voraufgezeichneten Sendung, fühlen sie das unsichtbare und unzertrennliche Band zwischen den beiden Welten:


Dem Moderator und seinem Publikum.

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