DARK ODDITIES #6 (KULT EDITION)

Disclaimer: Die hier gezeigten Beiträge enthalten zum Teil erschreckendes, verstörendes Material.






Prolog



Bei meinen Recherchen über die dunkle und verstörende Welt des Internets sind mir wirklich einige so schlimme Sachen untergekommen, dass ich lieber Abstand davon genommen habe sie zu erwähnen, da an ihnen nichts Inspirierendes mehr war, sondern nur noch der pure Schrecken. Nicht wenige hatten mit Sekten und Kulten zu tun, mit fanatischen Glaubensgemeinschaften die sich quer über den Globus ausgebreitet haben und Menschen dazu veranlassten wirklich entsetzliche und dumme Dinge zu tun - man nehme nur QAnon! Unter den vielen Beiträgen zum Thema sind mir allerdings auch ein paar interessantere Beispiele untergekommen, die ich hier behandeln möchte, wie immer mit der Warnung: Nichts für schwache  Nerven!

P.S.: Ich bin übrigens nicht ganz unbedarft an die Sache herangegangen. Schon im Jahr 2000 beteiligte ich mich an den Recherchen für ein Jugendtheaterstück über die Gefahren von Sekten namens I got(t) u unter der Regie von Doris Harder.






Heaven's Gate 



Einer der berüchtigtsten tragischen Vorfälle im Zusammenhang mit Sekten, der bis heute immer wieder als popkulturelle Referenz aufgegriffen wird, war der kollektive Selbstmord von Anhängern der US-amerikanischen Gruppe Heaven's Gate im März 1997. Die Sekte wurde Anfang der 1980er Jahre von Marshall Applewhite und Bonnie Nettles in San Diego, Kalifornien gegründet. Applewhite war der Sohn eines presbyterianischen Predigers und als Kirchenmusiker aktiv, ehe er 1970 wegen emotionaler Probleme entlassen wurde. Während er im Jahr darauf versuchte sich in einer Klinik von seiner Homosexualität "heilen" zu lassen, lernte er die Krankenschwester Bonnie Nettles kennen, die sein Interesse für Astrologie teilte und mit der er bis zu ihrem Tod 1985 eine innige Freundschaft pflegte. Gemeinsam gründeten sie eine Religion basierend auf Theorien über UFOs und Außerirdische, scharrten eine Vielzahl an Anhängern um sich und gewannen zunehmend an Prominenz. Ihre Mitglieder gaben jeglichen Besitz auf, lebten unter ständiger Beobachtung und ließen sich zum Teil sogar kastrieren, um eine bessere Askese zu erreichen. Was letztlich zu den Vorfällen in 1997 führte war die Annäherung des Kometen Hale-Bopp, den Applewhite für ein Zeichen hielt, dass sie in eine höhere Bewusstseinsebene transportieren würden, sofern sie sich ihrer irdischen Körper entledigten. Applewhite und 38 seiner Anhänger starben in ihren Betten, gekleidet in schwarzen Overalls.  


 







Lichtnahrung



Das esoterische Konzept von Lichtnahrung, auch Breatharianismus genannt, baut auf der Idee auf sich lediglich von den Strahlen der Sonne ernähren zu können. Es greift auf die Idee der Photosynthese zurück und bezieht sich zudem auf zahlreiche Legenden von Menschen - meist Mönche und Hungerkünstler - denen es angeblich gelungen war von so gut wie Nichts zu leben. Selbst der berühmte Mediziner und Alchemist Paracelsus wird als Quelle genannt. Das so etwas möglich ist wird von wissenschaftlicher Seite her allerdings stark angezweifelt.


Nichtdestotrotz entwickelten sich in den frühen 1970ern bereits erste Strömungen des Breatharianismus. 1980 trat Wily Brooks, Gründer des Breatharian Institute of America in einer TV-Show auf und behauptete seit 17 Jahren nicht gegessen zu haben. Auf diese Behauptung hin baute er das Konzept weiter aus und schuf einen Kult um sich, ehe er 1983 in einem Fastfood-Restaurant erwischt wurde. In den kommenden Jahren geriet die Idee von Lichtnahrung zunehmend in Vergessenheit bis sich in den 1990ern die Australierin Ellen Greve alias Jasmuheen erneut der Sache annahm. Ihr gelang es die Anhängerschaft an Lichtnahrungs-Begeisterten massiv zu erweitern, auch wenn ein 1998 unternommener Selbstversuch unter dem wachsamen Auge der australischen TV-Sendung 60 Minutes nicht zu ihren Gunsten ausfiel.


2010 veröffentlichte der österreichische Regisseur P.A. Straubinger eine Dokumentation zum Thema Lichtnahrung unter dem Titel Am Anfang war das Licht, welche vielerorts als manipulativ und unkritisch angeprangert wurde. Mindestens zwei Todesfälle wurden mit dem Film in Verbindung gebracht. Es gibt etliche dokumentierte Fälle von Menschen die sich bei Versuch sich nur von Licht zu ernähren zu Tode hungerten oder an Organversagen starben. Anerkannte wissenschaftliche Vereinigungen aus aller Welt wie die British Dietetic Association bezeichnen den Breatharianismus als gefährlich und raten dringend davon ab.


Update: P.A. Straubinger hat das hier gezeigte Video von Channel Atrocity Guide wegen angeblicher Copyright-Verletzungen bei Youtube gemeldet, die es für einige Monate entfernt haben. Die Betreiberin des Channels hatte sich um eine Einigung mit Straubinger bemüht, die aber nur zustande gekommen wäre, wenn der Film und die Bewegung in einem positiveren Licht dargestellt würde. Quelle hier!









Blood Over Intent



Die Sozialen Netzwerke sind eine Brutstätte für diverse merkwürdige Trends und Memes. Doch einige Dinge machen den Anschein, als würden sie weit darüber hinaus gehen. So ist es der Fall mit einem scheinbaren Kult der seit einigen Jahren die Plattform Youtube heimsucht. Scheinbar ganz normale Menschen wie du und ich schreiben einen ominösen Text auf ein Stück Papier und vergießen im Anschluss ein paar Tropfen ihres Blutes darüber. Die Botschaft variiert von Person zu Person, lautet im Grunde aber immer wie folgt: "I intend to bring forth heaven on Earth and release everyone from bondage." Was anfangs den Eindruck einer kleinen Nische von Leuten mit Sinn für's Theatralische macht, entpuppt sich als ein überraschend weitverbreiteter Blutkult, wenn man sich erstmal vor Augen führt wieviele Videos sich davon mittlerweile im Netz finden lassen. 


 







Victor der Wellensittich



2019 ging der am Übernatürlichem interessierte Youtube-Channel Shrouded Hand einem besonders merkwürdigen Fall nach, der seinen Anfang mit einem Wellensittich namens Victor nahm. Victor war laut seinem Besitzer Ryan Reynolds - nein, nicht DER Ryan Reynolds - ein ungewöhnlich wortbegabter kleiner Kerl, der angeblich nicht nur aufgeschnappte Phrasen nachplappern konnte, er soll sogar in der Lage gewesen sein selbstständig ganze Sätze zu bilden und eigene Gedanken zu äußern. Ryan machte Aufnahmen von seinem kleinen Haustier und stellte sie online, um mit Anderen darüber fachsimpeln zu können. Als Victor begann zunehmend spirituelle Themen anzusprechen entwickelte das Ganze rasch eine merkwürdige Eigendynamik, die Theorien über Quantenmechanik und ihre Auswirkung auf die Gehirne kleinerer Tierarten wie Wellensittiche mit sich brachte. Eine interessante Idee an sich, für ein fiktives Werk! Doch Ryan und seine Freunde machten daraus eine eigene obskure Religion, die selbst eingefleischte Atheisten schmunzeln lässt.   



#FEEDBACK

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EinBlick in die Seele der Gesellschaft: Sebastian Bohrn Mena im Kollektivpodcast In der intimen Atmosphäre des Kollektivpodcasts, einem Raum für tiefgründige Gespräche, die, wie der Name schon andeutet, für die gesamte Menschheit von Belang sein sollen, entfaltete sich ein Dialog von seltener Offenheit und Dringlichkeit. Zu Gast bei Musiker und Host David Pross war der Autor und bekannte TV-Analyst Sebastian Bohrn Mena. Was als Aufwärmrunde über seine ungewöhnliche Kindheit begann, entwickelte sich schnell zu einer messerscharfen Analyse der Zerreißproben, denen unsere moderne Welt ausgesetzt ist. Es war ein Gespräch, das von persönlichen Prägungen zu den größten Problemen der Menschheit führte und dabei die feinen Linien zwischen Psychologie, Politik und dem puren Menschsein nachzeichnete. Am Frühstückstisch der Therapeuten: Eine Kindheit unter dem Zeichen der Reflexion Wie prägt es einen Menschen, wenn beide Eltern Psychotherapeuten sind?. Diese Frage, von Host David Pross fast beiläufig gestellt, öffnete die Tür zu Bohrn Menas innerer Welt. Er erzählte von einer Kindheit, in der das Sprechen über Träume am Frühstückstisch zum Alltag gehörte. "Meine Mutter ist Psychoanalytikerin [...], mein Vater ist Gesprächstherapeut", schilderte er. Diese Konstellation sei als Kind grandios gewesen. Es war ein frühes Training in Selbstreflexion, das ihn lehrte, seine Emotionen zu ergründen und zu verstehen, was Erlebnisse mit ihm machen. Diese Erziehung, so wurde im Gespräch deutlich, ist der Nährboden für jene differenzierte Herangehensweise, die viele an seinen öffentlichen Auftritten schätzen – die Fähigkeit, auch in hitzigen Debatten nicht nur in Schwarz oder Weiß zu denken. "Dieses differenzierte Betrachten von Sachverhalten, von Personen, aber auch von sich selbst, ist eigentlich die Grundbasis dessen, was ich gelernt habe" , resümierte Bohrn Mena, der selbst einen Doktor der Psychotherapiewissenschaften besitzt. Dieses Rüstzeug erweist sich als unschätzbar, wenn er in Fernsehduellen auf politische Gegner trifft, wo es manchmal "sehr emotional, manchmal auch sehr persönlich wird". Besonders bei Themen wie Migration und Rassismus, die durch die Fluchtgeschichte seiner chilenischen Mutter tief in seiner eigenen Biografie verwurzelt sind, wird die professionelle Distanz zur Herausforderung. "Das triggert was in mir. Das muss ich ganz offen sagen". Er gestand, sich manchmal über sich selbst zu ärgern, wenn er emotional werde, wo er es nicht wollte. Doch er plädierte eindringlich dafür, sich die Menschlichkeit zu bewahren: "Trotzdem glaube ich, ist es wichtig, dass wir Menschen bleiben und das bedeutet, dass wir ehrlich reagieren auf etwas". Der bedrohte Grundkonsens: Ein Plädoyer für die Rettung der Demokratie Vom Persönlichen schlug die Unterhaltung den Bogen zu den großen gesellschaftlichen Verwerfungen. Als größtes Problem unserer Zeit identifizierte Bohrn Mena das systematische Erodieren der Demokratie. Über Jahrzehnte, so seine Analyse, sei den Menschen ein Denken in Konkurrenz und Ellenbogenmentalität eingetrichtert worden , das uns zu Gegnern statt zu Verbündeten mache. Dies höhle den Grundkonsens unserer Gesellschaft aus: die Solidarität und das Prinzip des Miteinanders. "Ich glaube tatsächlich, dass unsere Demokratie angezählt ist" , warnte er mit ernstem Unterton und verwies auf die wachsende Zahl von Menschen, die sich einen "starken Führer" wünschen. Host David Pross warf an dieser Stelle ein, dass es nicht nur ein emotionales, sondern auch ein massives intellektuelles Problem gäbe: eine mangelnde politische Grundbildung. Viele Bürger wüssten nicht einmal, was sie wählten, weil ihnen grundlegende Prinzipien wie die Gewaltentrennung fremd seien. Sein radikaler Vorschlag eines "Wahlführerscheins" stieß bei Bohrn Mena auf offene Ohren für eine Reform, auch wenn er den Hebel woanders ansetzen würde: bei der politischen Bildung, die bereits im Kindergarten beginnen müsse , und bei der Frage, warum man nicht stellvertretend für seine Kinder wählen dürfe, um deren Zukunft mehr Gewicht zu verleihen. Wut als Motor und die Falle des Populismus Einig waren sich beide, dass die Unzufriedenheit vieler Menschen, die "in der Früh hackeln geht und am Abend heimkommt", der Treibstoff für populistische Bewegungen ist. Die FPÖ, so Bohrn Mena, habe es perfektioniert, "der einzige Kanal für Wut in diesem Land" zu sein. Er warnte davor, diese Wut zu negieren, denn sie sei eine "unglaublich mächtige und wertvolle Emotion". Statt die Menschen zu beschwichtigen, müsse man anerkennen: "Du hast recht mit deiner Wut". Die Kunst bestehe darin, diese mobilisierende Kraft für ein gemeinschaftliches Ziel zu kanalisieren, anstatt sie einem "vermeintlich starken Mann" zu überlassen – ein Weg, der historisch betrachtet nicht gut ausgegangen sei. Zukunftsszenarien zwischen KI, Klimakrise und Krieg Das Gespräch navigierte weiter durch die großen Krisenherde der Zukunft. Die künstliche Intelligenz, die, wie Pross aus seiner Perspektive als Musiker schilderte, ganze Berufsfelder zu revolutionieren und zu vernichten droht , sei laut Bohrn Mena nur zu bewältigen, wenn die Politik dafür sorgt, dass die gigantischen Gewinne der Tech-Konzerne der Gemeinschaft zugutekommen. Es sei ein Verteilungsproblem , das sich auch in der Geringschätzung von unbezahlter Sorgearbeit, die meist von Frauen geleistet wird, zeige. Als weiteres existenzielles Megathema benannte er den Wert der Natur. Unser Wirtschaftssystem, das einem Baum erst dann einen Wert zubilligt, wenn man ihn umhackt, führe geradewegs in die Katastrophe. Wir müssten verstehen, "dass wir ein Bestandteil der Natur sind" und ihr wieder Raum geben. Den düsteren Abschluss bildete das Thema Krieg, das alle anderen Krisen wie unter einem Brennglas bündelt. Hier zeigte sich auch der einzige klare Dissens zwischen den Gesprächspartnern. Während Bohrn Mena leidenschaftlich argumentierte, dass es aus pazifistischer Sicht feige sei, einem überfallenen Volk wie der Ukraine die Waffen zur Selbstverteidigung zu verweigern , äußerte Pross sein tiefes Unverständnis darüber, wie Waffenlieferungen je eine Lösung für Krieg sein könnten. Es war ein Moment, der die ganze Komplexität und die moralischen Zwickmühlen unserer Zeit offenbarte. Das Gespräch im Kollektivpodcast war mehr als nur ein Interview. Es war eine gemeinsame, schonungslose Bestandsaufnahme, die den Zuhörer nachdenklich und mit dem Gefühl zurücklässt, dass die Rettung der Demokratie und die Bewältigung der globalen Krisen bei jedem Einzelnen und im gemeinschaftlichen Handeln beginnen. Eine Einladung, nicht wegzusehen, sondern sich einzumischen – und sich vielleicht die ganze, faszinierende Tiefe dieses Dialogs im Podcast selbst anzuhören.