DIE BRILLE (SATIRE)

Aus der Reihe Hanuschplatz, erschienen in den Zeitschriften MFK (2013- 15) und mosaik - Zeitschrift für Literatur und Kultur (2015 - 19).





In den vergangenen Jahren hatten sich die Beschwerden gehäuft, ich würde grußlos an mir lieben Menschen vorbeigehen, wenn ich ihnen im Bus oder auf offener Straße begegnete. So ließ ich mich irgendwann dazu überreden einen Optiker aufzusuchen, der mir auch bald eine Brille verschrieb. Als ich sie aufsetzte wurde mir erst bewusst wie schlecht ich tatsächlich schon sah und ich wunderte mich, nicht längst vor ein fahrendes Auto gelaufen zu sein. Gut, die Welt lag mir ja nun wieder klar und deutlich zu Füssen! Aber eine wirkliche Lösung meines Problems war auch das nicht. Denn nun konnte ich meine Mitmenschen zwar wieder sehen, doch zu erkennen WER mir da gegenüber stand, war eine völlig andere Geschichte. Leute die ich schon ewig kannte, waren mit einem Mal rapide gealtert und hatten nicht unbedeutend an Gewicht zugelegt. Und jene die ich erst vor Kurzem als sprechende Schleier mit durchaus angenehmen Charakter kennengelernt hatte, erschienen mir plötzlich fremd, hässlich und nichtssagend.


Am heftigsten aber traf mich die Sache mit Gotata*, meinem alten Freund aus Afrika, dem ich im Zuge eines Flüchtlingsfests, auf recht unangenehme Weise vorstellig geworden war. Zu meiner großen Verwunderung hatten sich die Anwesenden furchtbar das Maul über ihn zerrissen. Ich bekam im allgemeinen Gemurmel und Geschnatter nur soviel mit, dass sie sich offenbar über seine Herkunft und sein Aussehen lustig machten. Ich schrie sie an, was sie doch für unglaubliche Heuchler seien und warf im Zorn mit Hummus um mich. Fünf Minuten später fand ich mich auf der Straße wieder. Gotata war mir gefolgt. Ich entschuldigte mich für die peinliche Szene, doch er nahm's mit Humor, zeigte mir sein breitestes Grinsen und lud mich ein, mit ihm noch irgendwo zu versumpfen. Wir verbrachten noch einen sehr unterhaltsamen Abend und wurden Freunde. Was ich aber nicht wusste und mir erst klar wurde, als ich mit der Brille auf der Nase bei ihm aufkreuzte war dies: Gotata ist ein Krokodil!


Ich war natürlich geschockt, gleichzeitig ergab alles auf einmal viel mehr Sinn: Die Beschreibungen beim Fest - sie hatten ihn eigentlich ganz gut getroffen – und warum wir später im Nichtraucherbereich saßen und alle Drinks auf Eis serviert wurden - wir hatten den Abend offenbar wirklich in einem Sumpf verbracht. Er gestand, von Anfang an von meiner Sehschwäche gewusst und gehofft zu haben, die Illusion aufrecht erhalten zu können. Krokodile haben ja leider ein sehr schlechtes Image als todbringende Fressmaschinen und daher so ihre Probleme Freunde zu finden. Das Schwierigste war es zu verhindern, dass ich ihn im Profil sah, denn so blind war ich nun auch wieder nicht. Weshalb wir wohl auch nie ins Kino gingen oder einen Schaufensterbummel machten.


Meist hingen wir im Hallenbad herum, wo wir uns einen Spaß daraus machten vom Rand springende Kinder zu erschrecken, was vom Bademeister nur wohlwollend zur Kenntnis genommen wurde. Vielleicht hatte er aber auch einfach nur Schiss davor sich dem vor Vergnügen grunzenden Reptil zu nähern. Gotata jedenfalls entschuldigte sich vielmals für die Täuschung und bat mich, ihm noch eine Chance zu geben. Ich sagte, ich müsse mir das Ganze durch den Kopf gehen lassen und ging. Im Stiegenhaus rief er mir noch hinterher: "See you later, Peter!" Aber ich antwortete nicht. Erst als ich zuhause war, eine Weile in unseren Fotoalben geblättert und die Brille schließlich im Müll entsorgt hatte, schrieb ich ihm: "In a while, Crocodile!" 



* An dieser Stelle einmal herzlichen Dank an die großartige Sarah Oswald, Chefgrafikerin des mosaik, die unter anderem eine absolute Koryphäe darin ist, sich die perfekten Namen für Krokodile auszudenken!


#FEEDBACK

von Manuel Waldner 8. April 2025
Der Text von "Nóttin talar" (Die Nacht spricht) drückt tiefe Traurigkeit und den Wunsch aus, in die Vergangenheit zurückzukehren. Bilder wie ein versteckter Pfad und ein grauer Spiegel deuten auf eine Innenschau und den Wunsch hin, zur Vergangenheit zurückzukehren. Der Sänger spricht von Erinnerungen, die wie Glut brennen, und unausgesprochenen Worten, und fragt sich, ob Antworten in einer anderen Zeit existieren. Es gibt ein starkes Gefühl der Schuld und den Wunsch, vergangene Fehler ungeschehen zu machen, wobei wiederholt darum gebeten wird, Í GEGNUM TÍMANN (durch die Zeit) zurückzukehren, um Dinge zu reparieren. Das Vergehen der Zeit wird durch fallende Tage und stille Tränen dargestellt, was hervorhebt, dass die Zeit nicht umgekehrt werden kann. Der Sänger träumt von einer zweiten Chance, präsent und liebevoll zu sein. Auch wenn eine Rückkehr unmöglich sein mag und der Schmerz persönlich ist, bleibt die Hoffnung, Dinge richtigzustellen. Das Musikvideo, das drei junge Männer beim Spaß zeigt, steht im Kontrast zu diesen traurigen Texten. Es scheint hervorzuheben, wie schnell die Jugend und diese unbeschwerten Zeiten vergehen und wie Handlungen in der Jugend später zu Bedauern führen können. Die Freude im Video repräsentiert eine Zeit, die nicht zurückgebracht werden kann, und die Texte deuten darauf hin, dass die jungen Männer eines Tages zurückblicken und sich wünschen könnten, sie hätten Dinge anders gemacht. Der Unterschied zwischen den fröhlichen Bildern und den traurigen Worten betont, wie die Zeit vergeht und wie unsere vergangenen Handlungen uns belasten können. Hier gibt es mehr Informationen zum Musikprojekt: https://www.kollektiv-magazin.com/ai-musikprojekt-dominion-protocol
von Manuel Waldner 31. März 2025
AI-MUSIKPROJEKT: DOMINION PROTOCOL
von Manuel Waldner 31. März 2025
BACKSTAGE @ THE OSCARS - BERNHARD MAIRITSCH
von Manuel Waldner 22. März 2025
Prof. Dr. Heinz Gärtner ist Politikwissenschaftler und Sicherheitsexperte mit Schwerpunkt internationale Beziehungen. Er lehrt an der Universität Wien und ist Senior Fellow am Österreichischen Institut für Internationale Politik (oiip). Gärtner beschäftigt sich in seiner Forschung mit Fragen der Neutralität, Sicherheits- und Friedenspolitik sowie den transatlantischen Beziehungen. Er hat zahlreiche Fachpublikationen veröffentlicht, ist regelmäßig als Experte in den Medien präsent und wirkt in internationalen Gremien zur Sicherheits- und Außenpolitik mit.