COVER HISTORY: THE DOORS




Wir schrieben das Jahr 2002. Ich reiste als Teil einer zehnköpfigen Delegation für ein EU-Austauschprojekt nach Estland. Wir waren früh morgens aufgebrochen, mit dem Zug von Salzburg zum Flughafen nach München gefahren, von dort zum Airport Helsinki geflogen - wo wir, by the way, im selben Café saßen wie Bruce Willis in Der Schakal (1997) - und mit einer Propellermaschine weiter nach Tallinn. Der Tag neigte sich bereits dem Ende zu, doch stand uns noch eine letzte längere Busreise bevor.


Neben der regional üblichen Architektur und fast brandneuen modernen Gebäuden, sah man hier und da alte Bauten aus der Sowjet-Zeit, die auch nach knapp einem Jahrzehnt ihres Falls und der wiedergefundenen Unabhängigkeit des Landes, noch deutliche Spuren hinterließ. Doch irgendwann war auch das vorbei. Man sah nurmehr die Küste rechts und links einen Haufen Wald, der als Silhouette in der hereinbrechenden Nacht verschwand. Niemand sprach ein Wort, alle fläzten von der bisherigen Reise erschöpft in ihren Sitzen. Der Busfahrer fuhr mit einem Affenzahn über die scheinbar frisch asphaltierte, pechschwarze Landstraße. Wir hatten es längst aufgegeben uns über das unheilverheißende Tempo zu sorgen und fügten uns scheinbar in unser Schicksal. 


In diesem Moment beschloss ein alter Freund den Busfahrer um einen Gefallen zu bitten, dem er ein anscheinend schon vor langer Zeit angefertigtes Mixtape überreichte. Und in die apathische Stille hinein floss mit einem Mal, wohltuend, magisch, RICHTIG, eine Musik welche mir diese Reise in ein fremdes Land, das ich kaum kannten, in einem Bus der dem Dunkel trotzend so schnell fuhr als wäre der Teufel hinter ihm her, dem wir uns in diesem geschwächten Zustand mehr oder weniger auslieferten, zu einem der schönsten Erinnerungen meiner Jugend machte. Denn es war dies meine erste bewusste Begegnung mit der Musik von The Doors.







Die Psychedelic-Rock-Band The Doors wurde 1965 in Los Angeles gegründet und nach einem Buch von Aldous Huxley, The Doors of Perception benannt. Mit ihrem 1967 veröffentlichten Debütalbum The Doors, gelang ihnen der große Durchbruch. Auf diesem finden sich Klassiker wie "Break On Through (To the Other Side)", "Light My Fire", "Alabama Song (Whisky Bar)" - ein Cover nach Bertold Brecht und Kurt Weill - sowie "The End".


Ihm folgte noch im selben Jahr das zweite Album Strange Days, das trotz solider Verkäufe leider als eines der weniger erfolgreichen Machwerke der Gruppe gilt. Als Grund dafür wird teilweise der Umstand gehandelt, dass Strange Days noch vom Erfolg seines Vorgängers überschattet wurde. Ein anderer Grund soll das Cover sein, welches als Einziges - zumindest zu Lebzeiten von Sänger Jim Morrison - nicht die Band abbildete, sondern ein etwas kunstvolleres Motiv verwendete, das im Plattenladen nicht immer gleich mit ihnen in Verbindung gebracht wurde. Was besonders ärgerlich erscheint, da die Produktion besagten Covers selbst schon eine Menge Zeit und Nerven beansprucht hatte...


Wie auch schon beim Debütalbum sollte für Strange Days auch diesmal wieder Photograph Joel Brodsky das Coverbild beisteuern. Allerdings weigerte sich der kunstaffine Jim Morrison erneut mit seiner Band abgelichtet zu werden, da er ihre Musik für sich selbst sprechen lassen wollte. Brodsky schlug daraufhin ein Motiv mit Schaustellern vor, inspiriert von Federico Fellini's italienischem Melodram La Strada von 1954. Für das Shooting wählte er den Sniffen Court Historic District, eine historische kleine Backsteingasse in Manhattan, New York. In dieser hatte u.a. einst Komponist Cole Porter eine Wohnung, die er als diskrete Unterkunft für seinen damaligen Freund nutzte, während er selbst im Waldorf Astoria residierte. Auch Autorin Pearl Buck und Comedian "Professor" Irwin Corey nannten den Sniffen Court lange ihr zuhause. Heute bekanntere Prominente wie Claudia Schiffer, Lenny Kravitz und Graham Norton waren kurzweilig auch dort anzutreffen.




Looking south through iron gate at Sniffen Court on a cloudy morning. Photo by Jim Henderson - CC0 1.0 Universal (CC0 1.0) - Public Domain Dedication




Den perfekten Schauplatz zu finden war das geringste Problem für Brodsky. Tatsächlich hatte er mehr Schwierigkeiten damit, die richtigen Leute für das Fotoshooting ausfindig zu machen. Sein Plan die Zirkusse abzuklappern scheiterte daran, dass diese über den Sommer durch's Land tourten. Die einzigen "Profis" die er am Ende in die Finger bekam, waren die abgebildeten Akrobaten. Und die waren offenbar so schlecht, dass der Untere den Oberen nur für ein paar Sekunden in der Luft halten konnte. Der Rest war mehr schlecht als recht zusammengesucht worden.

Als Jonglierer musste Brodsky's Assistent Frank Kollegy herhalten, der allerdings nicht jonglieren konnte. Ständig fielen ihm die Bälle herunter, die dann auch noch die Gasse runterkullerten, sodass er ihnen unaufhörlich nachjagen durfte. Die "Zwerge" - Zwillinge, einer von ihnen auf der Vorder-, der andere auf der Rückseite des Covers - waren professionelle Schauspieler die zunächst nichts mit der Sache zu tun haben wollten und erst von ihrem Agenten überredet werden mussten. Der Gewichtheber war Türsteher des berühmten New Yorker Friars Club, den Brodsky über einen gemeinsamen Bekannten kennengelernt hatte. Brodsky erinnerte sich später in einem Interview 2005 an eine gemeinsame Fahrt mit dem Cast, die dichtgedrängt in einer Limousine saßen. Dabei ergab sich das surreale Bild der beiden kleinwüchsigen Zwillinge auf dem Schoß des Gewichthebers, die gemütlich Zigarren rauchten.


Um das Bild zu komplettieren angelte sich der Künstlerische Leiter des Projekts, William S. Harvey, einen vorbeifahrenden Taxifahrer dem er 5 Dollar anbot, um sich als Trompeter ablichten zu lassen. Der Mann fiel dem Cast damit auf die Nerven, dass er sich mehr und mehr ins Bild drängte und Brodsky noch Monate später damit terrorisierte seine Karriere als Modell voranzutreiben. Über die genauen Hintergründe betreffend der Dame auf der Rückseite ist wenig bekannt, zumindest scheint von ihr als Einziger noch der Name bekannt zu sein: Zazel-Beth Wilde.



Sculpted plaques by Malvina Hoffman. Photo by Wikipedia user Beyond My Ken. Attribution-ShareAlike 4.0 International (CC BY-SA 4.0)




Es war ein aufreibendes Shooting für Brodsky, aber das Endergebnis gab ihm recht, auch wenn sich damit weitere Probleme ergaben. Es war ihm gelungen, Morrison zum Trotz, Plakate mit Bildern der Band und Titel des Albums subtil in den Hintergrund zu platzieren. Allerdings so subtil, dass es viele Plattenläden-Besitzer nicht bemerkten und einfach ihr Preisschilder oder andere Sticker drüber klebten, was den Verkauf zusätzlich erschwerte. Nichtsdestotrotz wurde das Cover dem Titel des Albums gerecht. Denn es war in der Tat ein "Strange Day" den Brodsky und sein Team mit dieser verqueren Gruppe von Eintags-Schaustellern verbrachte.


Ein abenteuerliches Unterfangen das auch in einer absoluten Katastrophe hätte enden können. Aber mit etwas Geduld und einem guten Auge doch noch in einem Cover resultierte, das Musikgeschichte schrieb und die Musik der Doors perfekt abrundete. Selbst diese hatten sich für die Produktion von Strange Days in neues Terrain vorgewagt und große Hoffnungen in das Projekt gesteckt. Angeregt wurden sie durch eine Vorabkopie von Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band die ihnen in die Hände gefallen war und sie komplett aus den Socken gehauen hatte. Vor allem das Experiment mit Aufnahmetechniken - wiederum inspiriert durch die Musique Concrete - faszinierte sie und stiftete sie an, bei der Produktion von Strange Days mehr aus sich heraus zu gehen. 


Auch das war keine sichere Kiste! Die Band war zwar mit ihrem ersten Album erfolgreich gewesen, stand aber noch relativ am Anfang ihrer Karriere. Und nur weil die experimentellere Gangart bei den Beatles funktionierte, hieß das nicht, dass sich auch Doors-Fans damit anfreunden konnten. Strange Days hätte ihnen das Genick brechen können, sie steckten trotzdem ihr ganzes Herzblut in die Sache und lieferten ein würdiges Nachfolgewerk mit Tiefe ab, das Fans spaltet, aber auch heute nach wie vor Wellen schlägt - es ist ein Doors-Album after all! Schon erstaunlich was man erreichen kann, wenn man, den Teufel im Nacken, mutig in die Zukunft blickt. Oder zumindest die Straße nicht aus den Augen verliert!



#FEEDBACK

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Die Kunst bestehe darin, diese mobilisierende Kraft für ein gemeinschaftliches Ziel zu kanalisieren, anstatt sie einem "vermeintlich starken Mann" zu überlassen – ein Weg, der historisch betrachtet nicht gut ausgegangen sei. Zukunftsszenarien zwischen KI, Klimakrise und Krieg Das Gespräch navigierte weiter durch die großen Krisenherde der Zukunft. Die künstliche Intelligenz, die, wie Pross aus seiner Perspektive als Musiker schilderte, ganze Berufsfelder zu revolutionieren und zu vernichten droht , sei laut Bohrn Mena nur zu bewältigen, wenn die Politik dafür sorgt, dass die gigantischen Gewinne der Tech-Konzerne der Gemeinschaft zugutekommen. Es sei ein Verteilungsproblem , das sich auch in der Geringschätzung von unbezahlter Sorgearbeit, die meist von Frauen geleistet wird, zeige. Als weiteres existenzielles Megathema benannte er den Wert der Natur. Unser Wirtschaftssystem, das einem Baum erst dann einen Wert zubilligt, wenn man ihn umhackt, führe geradewegs in die Katastrophe. Wir müssten verstehen, "dass wir ein Bestandteil der Natur sind" und ihr wieder Raum geben. Den düsteren Abschluss bildete das Thema Krieg, das alle anderen Krisen wie unter einem Brennglas bündelt. Hier zeigte sich auch der einzige klare Dissens zwischen den Gesprächspartnern. Während Bohrn Mena leidenschaftlich argumentierte, dass es aus pazifistischer Sicht feige sei, einem überfallenen Volk wie der Ukraine die Waffen zur Selbstverteidigung zu verweigern , äußerte Pross sein tiefes Unverständnis darüber, wie Waffenlieferungen je eine Lösung für Krieg sein könnten. Es war ein Moment, der die ganze Komplexität und die moralischen Zwickmühlen unserer Zeit offenbarte. Das Gespräch im Kollektivpodcast war mehr als nur ein Interview. Es war eine gemeinsame, schonungslose Bestandsaufnahme, die den Zuhörer nachdenklich und mit dem Gefühl zurücklässt, dass die Rettung der Demokratie und die Bewältigung der globalen Krisen bei jedem Einzelnen und im gemeinschaftlichen Handeln beginnen. Eine Einladung, nicht wegzusehen, sondern sich einzumischen – und sich vielleicht die ganze, faszinierende Tiefe dieses Dialogs im Podcast selbst anzuhören.