COLUMBO UND DER SCHNURRBART-SHATNER (SATIRE)

Aus der Reihe Hanuschplatz, erschienen zwischen 2016/17 in den Zeitschrift mosaik - Zeitschrift für Literatur und Kultur. Zusätzlicher Artikel: Hier!



Der Tatort nähert sich allmählich der 1000sten Folge und ich beginne mich zu fragen, ob es denn tatsächlich so viele Szenarien gibt, die man in einem Fernsehkrimi verbraten kann. Das Prinzip ist stets dasselbe: Es gilt ein Verbrechen aufzuklären und den oder die Täter dingfest zu machen. Dazwischen geht eine Menge zu Bruch und es menschelt es von allen nur erdenklichen Seiten - langweilig! Ich persönlich bevorzuge Geschichten über Zeitreisen, wo sich das Auseinanderdröseln der Ereignisse als schon etwas komplexer erweist und die Naturgesetze ad absurdum geführt werden. Gleichzeitig stellt sich das perfekte Verbrechen auch als das simpelste dar, denn es reicht schlicht die Eltern einer unliebsamen Person am Kopulieren zu hindern, um ihre Existenz auszulöschen. Ein schier unlösbarer Fall - es sei denn Columbo ist involviert...


Man stelle sich folgende Szene vor: Der "Mörder" - in dieser Folge mal wieder von einem Schnurrbart-tragenden William Shatner in Szene gesetzt - steht siegessicher in der Lounge seiner Villa in Beverly Hills, einen Drink in der Hand, während ihm gegenüber Columbo mit einer brennenden Zigarre gestikulierend, auf den Perser äschert. In dem Fall lässt sich das der Herr des Hauses aber gefallen, da sich der Inspektor nur noch wortreich für alle Unannehmlichkeiten entschuldigt und sich nach Wochen im Sande verlaufender Ermittlungen geschlagen gibt. Als er zur Tür hinaus verschwindet, atmet Schnurrbart-Shatner auf: Der Alptraum hat ein Ende. Er stürzt den Drink hinunter und tänzelt vergnügt ins Arbeitszimmer, wo seine Zeitmaschine steht, die jener aus der gleichnamigen Verfilmung nach H.G. Wells verdächtig ähnlich sieht. Er überlegt bereits, wen er als Nächstes auslöschen könnte: Hitler, Jack the Ripper, Dschingis Khan... "KHAAAAAN!!!" ruft der Schnurrbart-Shatner entschlossen. Da klopft es plötzlich an der Tür:


"Entschuldigen Sie, Sir, eine Sache wäre da noch..." Schnurrbart-Shatner ist außer sich. Er fährt Columbo an, was er denn noch wolle. Das Verbrechen sei doch perfekt! Es gäbe keine Spuren, keine Zeugen, ja, nicht mal ein Opfer! Das habe er, der Schnurrbart-Shatner, doch wohl sorgsam verhindert, als er, der Schnurrbart-Shatner, mit dieser, seiner Zeitmaschine in die Vergangenheit gereist sei und die Eltern des Opfers laut singend, vom Beischlaf abgehalten habe!1 Es sei physikalisch unmöglich, dass er, Columbo, jetzt noch irgendwas gegen ihn, den Schnurrbart-Shatner, in der Hand habe! Was um alles in der Welt hätte er, der Columbo, jetzt also noch vorzubringen?!!


Der Inspektor hält einen Zettel hoch: Er hätte gern noch ein Autogramm für seine Frau gehabt. Hat sich der Schnurrbart-Shatner also verplappert. Wegen Mordes kann er nicht belangt werden, aber doch wegen des Verstoßes gegen Gesetze der Physik und illegaler Abtreibung. Ob nun präkoital oder prä-postkoital, darüber dürfen sich gerne die Experten streiten!


1 Tatsächlich gilt William Shatner's Interpretation des Beatles-Klassikers Lucy in the Sky with Diamonds als die Schlechteste aller Zeiten!


#FEEDBACK

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EinBlick in die Seele der Gesellschaft: Sebastian Bohrn Mena im Kollektivpodcast In der intimen Atmosphäre des Kollektivpodcasts, einem Raum für tiefgründige Gespräche, die, wie der Name schon andeutet, für die gesamte Menschheit von Belang sein sollen, entfaltete sich ein Dialog von seltener Offenheit und Dringlichkeit. Zu Gast bei Musiker und Host David Pross war der Autor und bekannte TV-Analyst Sebastian Bohrn Mena. Was als Aufwärmrunde über seine ungewöhnliche Kindheit begann, entwickelte sich schnell zu einer messerscharfen Analyse der Zerreißproben, denen unsere moderne Welt ausgesetzt ist. Es war ein Gespräch, das von persönlichen Prägungen zu den größten Problemen der Menschheit führte und dabei die feinen Linien zwischen Psychologie, Politik und dem puren Menschsein nachzeichnete. Am Frühstückstisch der Therapeuten: Eine Kindheit unter dem Zeichen der Reflexion Wie prägt es einen Menschen, wenn beide Eltern Psychotherapeuten sind?. Diese Frage, von Host David Pross fast beiläufig gestellt, öffnete die Tür zu Bohrn Menas innerer Welt. Er erzählte von einer Kindheit, in der das Sprechen über Träume am Frühstückstisch zum Alltag gehörte. "Meine Mutter ist Psychoanalytikerin [...], mein Vater ist Gesprächstherapeut", schilderte er. Diese Konstellation sei als Kind grandios gewesen. Es war ein frühes Training in Selbstreflexion, das ihn lehrte, seine Emotionen zu ergründen und zu verstehen, was Erlebnisse mit ihm machen. Diese Erziehung, so wurde im Gespräch deutlich, ist der Nährboden für jene differenzierte Herangehensweise, die viele an seinen öffentlichen Auftritten schätzen – die Fähigkeit, auch in hitzigen Debatten nicht nur in Schwarz oder Weiß zu denken. "Dieses differenzierte Betrachten von Sachverhalten, von Personen, aber auch von sich selbst, ist eigentlich die Grundbasis dessen, was ich gelernt habe" , resümierte Bohrn Mena, der selbst einen Doktor der Psychotherapiewissenschaften besitzt. Dieses Rüstzeug erweist sich als unschätzbar, wenn er in Fernsehduellen auf politische Gegner trifft, wo es manchmal "sehr emotional, manchmal auch sehr persönlich wird". Besonders bei Themen wie Migration und Rassismus, die durch die Fluchtgeschichte seiner chilenischen Mutter tief in seiner eigenen Biografie verwurzelt sind, wird die professionelle Distanz zur Herausforderung. "Das triggert was in mir. Das muss ich ganz offen sagen". Er gestand, sich manchmal über sich selbst zu ärgern, wenn er emotional werde, wo er es nicht wollte. Doch er plädierte eindringlich dafür, sich die Menschlichkeit zu bewahren: "Trotzdem glaube ich, ist es wichtig, dass wir Menschen bleiben und das bedeutet, dass wir ehrlich reagieren auf etwas". Der bedrohte Grundkonsens: Ein Plädoyer für die Rettung der Demokratie Vom Persönlichen schlug die Unterhaltung den Bogen zu den großen gesellschaftlichen Verwerfungen. Als größtes Problem unserer Zeit identifizierte Bohrn Mena das systematische Erodieren der Demokratie. Über Jahrzehnte, so seine Analyse, sei den Menschen ein Denken in Konkurrenz und Ellenbogenmentalität eingetrichtert worden , das uns zu Gegnern statt zu Verbündeten mache. Dies höhle den Grundkonsens unserer Gesellschaft aus: die Solidarität und das Prinzip des Miteinanders. "Ich glaube tatsächlich, dass unsere Demokratie angezählt ist" , warnte er mit ernstem Unterton und verwies auf die wachsende Zahl von Menschen, die sich einen "starken Führer" wünschen. Host David Pross warf an dieser Stelle ein, dass es nicht nur ein emotionales, sondern auch ein massives intellektuelles Problem gäbe: eine mangelnde politische Grundbildung. Viele Bürger wüssten nicht einmal, was sie wählten, weil ihnen grundlegende Prinzipien wie die Gewaltentrennung fremd seien. Sein radikaler Vorschlag eines "Wahlführerscheins" stieß bei Bohrn Mena auf offene Ohren für eine Reform, auch wenn er den Hebel woanders ansetzen würde: bei der politischen Bildung, die bereits im Kindergarten beginnen müsse , und bei der Frage, warum man nicht stellvertretend für seine Kinder wählen dürfe, um deren Zukunft mehr Gewicht zu verleihen. Wut als Motor und die Falle des Populismus Einig waren sich beide, dass die Unzufriedenheit vieler Menschen, die "in der Früh hackeln geht und am Abend heimkommt", der Treibstoff für populistische Bewegungen ist. Die FPÖ, so Bohrn Mena, habe es perfektioniert, "der einzige Kanal für Wut in diesem Land" zu sein. Er warnte davor, diese Wut zu negieren, denn sie sei eine "unglaublich mächtige und wertvolle Emotion". Statt die Menschen zu beschwichtigen, müsse man anerkennen: "Du hast recht mit deiner Wut". Die Kunst bestehe darin, diese mobilisierende Kraft für ein gemeinschaftliches Ziel zu kanalisieren, anstatt sie einem "vermeintlich starken Mann" zu überlassen – ein Weg, der historisch betrachtet nicht gut ausgegangen sei. Zukunftsszenarien zwischen KI, Klimakrise und Krieg Das Gespräch navigierte weiter durch die großen Krisenherde der Zukunft. Die künstliche Intelligenz, die, wie Pross aus seiner Perspektive als Musiker schilderte, ganze Berufsfelder zu revolutionieren und zu vernichten droht , sei laut Bohrn Mena nur zu bewältigen, wenn die Politik dafür sorgt, dass die gigantischen Gewinne der Tech-Konzerne der Gemeinschaft zugutekommen. Es sei ein Verteilungsproblem , das sich auch in der Geringschätzung von unbezahlter Sorgearbeit, die meist von Frauen geleistet wird, zeige. Als weiteres existenzielles Megathema benannte er den Wert der Natur. Unser Wirtschaftssystem, das einem Baum erst dann einen Wert zubilligt, wenn man ihn umhackt, führe geradewegs in die Katastrophe. Wir müssten verstehen, "dass wir ein Bestandteil der Natur sind" und ihr wieder Raum geben. Den düsteren Abschluss bildete das Thema Krieg, das alle anderen Krisen wie unter einem Brennglas bündelt. Hier zeigte sich auch der einzige klare Dissens zwischen den Gesprächspartnern. Während Bohrn Mena leidenschaftlich argumentierte, dass es aus pazifistischer Sicht feige sei, einem überfallenen Volk wie der Ukraine die Waffen zur Selbstverteidigung zu verweigern , äußerte Pross sein tiefes Unverständnis darüber, wie Waffenlieferungen je eine Lösung für Krieg sein könnten. Es war ein Moment, der die ganze Komplexität und die moralischen Zwickmühlen unserer Zeit offenbarte. Das Gespräch im Kollektivpodcast war mehr als nur ein Interview. Es war eine gemeinsame, schonungslose Bestandsaufnahme, die den Zuhörer nachdenklich und mit dem Gefühl zurücklässt, dass die Rettung der Demokratie und die Bewältigung der globalen Krisen bei jedem Einzelnen und im gemeinschaftlichen Handeln beginnen. Eine Einladung, nicht wegzusehen, sondern sich einzumischen – und sich vielleicht die ganze, faszinierende Tiefe dieses Dialogs im Podcast selbst anzuhören.