BITTERBÖSE SYMPHONIEN (HÖRBUCH-PREVIEW)

"Alten Resten eine Chance" sang Sven Regener einst. Dem kommen wir gerne nach, zumal uns Kunde erreicht hat, dass Marcus und Hannes von der sehr geschätzten und leider auch schon aufgelösten münchner Indieband Die Reste von Gestern ein posthumes Hörbuch nachreichen. Und um ihre Zeit in der Band soll es auch tatsächlich gehen! Allerdings wird es sich bei dem fünfeinhalb-stündigen Werk um keine bloße Autobiografie, sondern eine satirische Aufarbeitung mit durchaus literarischem Anspruch handeln.


Aber von Anfang an: Wer sind die Reste von Gestern überhaupt? Und warum machen wir uns die Mühe das am 25.3.2022 erscheinende Hörbuch "Bitterböse Symphonien" anzupreisen? 

Jahre ist es her, dass ich im FM4 Soundpark auf ein Soloprojekt namens Sterngarten stieß, hinter dem sich niemand geringerer als Marcus von Gestern selbst verbarg. Wir kamen ins Gespräch da wir beide große Fans der Britpop-Legenden Blur sind und mich ein von ihm benutztes Gitarrenriff verdächtig an Death of a Party erinnerte. Uns verband schnell so etwas wie eine digitale Brieffreundschaft, durch die mir auch erstmals Marcus' neue Band Die Reste von Gestern zu Ohren kam.





Man schrieb das Jahr 2007. Die Welt war weitestgehend noch in Ordnung und die Möglichkeiten für eine junge aufstrebende Rockband aus München mannigfach. Die Reste von Gestern überzeugten mit einfach allem: Knackigen Riffs, gefühlvollen Melodien, einer grandioser Dynamik und ansprechenden Texten mit einem guten Gespür für Sprache. In einer Zeit als der Begriff "Freiraum" auch den bairischen Raum als Stichwort für eine neue, engagierte Jugendkultur eroberte, waren sie mittendrin. Eroberten die Bühnen und bespielten Festivals noch und nöcher.


2012 hatte ich das Privileg auf einem Track des zweiten Studioalbums Als der Frühling kam dabei sein zu dürfen, wofür ich extra nach München anreiste. Was mich erwartete war ein gut sortiertes Studio und eine supernette, hochmotivierte Band, die nach getaner Arbeit noch ordentlich zu feiern wusste. Ein schöner Abend mit grandiosen Leuten. Die Heimreise am nächsten Morgen stellte sich allerdings als eine absolute Höllenfahrt heraus, da ich mir vor der Aufnahme erkältungsbedingt noch ein Neocitran reingepfiffen und im Lokal den folgenschweren Entschluss gefasst hatte, endlich mal Sambuca zu probieren. Hier zeigen sich aber auch weitere Qualitäten von Bandleader Marcus von Gestern, der mich bei sich übernachten ließ: Viel Mitgefühl, Geduld und Herz, auch für einen dicken doofen alten Österreicher der ihm ins Wohnzimmer kotzt. Solche Menschen unterstützt man gern!





2015 verabschiedeten sich die Reste in den wohlverdienten Ruhestand. Umso mehr freut es mich nach 7 langen Jahren endlich wieder von ihnen zu hören und sei es auch in Form eines Hörbuchs. Worum es en detail bei Bitterböse Symphonien gehen wird erfährt man schon jetzt auf den vielen Streamingdiensten, wo es das Werk ab 25. März 2022 zu erstehen gibt. Für alle Klickfaulen haben wir hier den entsprechenden Text nochmal hinein gecopypastet:

Mit 30 Muttersöhnchen und Malochen im Münchner Moloch. Marcus ist grauer Büroangestellter im Öffentlichen Dienst. Er führt ein Leben nahe am Boreout-Tod. In der Beziehung ist die Luft raus und im Job ist die einzige Herausforderung, das Gemobbe der unliebsamen KollegInnen zu ertragen. Das kann es nicht gewesen sein. Er trifft auf den verlotterten Austria-Import-Gitarristen Hannes, der undurchsichtig seine Kreise zieht. Gemeinsam gründen Sie trotz starker Antipathie die Band "Die Reste von Gestern", um gemeinsam nach den Sternen zu greifen - und um sich jeden Tag auf urkomische Art und Weise mehr zu hassen. 


#FEEDBACK

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EinBlick in die Seele der Gesellschaft: Sebastian Bohrn Mena im Kollektivpodcast In der intimen Atmosphäre des Kollektivpodcasts, einem Raum für tiefgründige Gespräche, die, wie der Name schon andeutet, für die gesamte Menschheit von Belang sein sollen, entfaltete sich ein Dialog von seltener Offenheit und Dringlichkeit. Zu Gast bei Musiker und Host David Pross war der Autor und bekannte TV-Analyst Sebastian Bohrn Mena. Was als Aufwärmrunde über seine ungewöhnliche Kindheit begann, entwickelte sich schnell zu einer messerscharfen Analyse der Zerreißproben, denen unsere moderne Welt ausgesetzt ist. Es war ein Gespräch, das von persönlichen Prägungen zu den größten Problemen der Menschheit führte und dabei die feinen Linien zwischen Psychologie, Politik und dem puren Menschsein nachzeichnete. Am Frühstückstisch der Therapeuten: Eine Kindheit unter dem Zeichen der Reflexion Wie prägt es einen Menschen, wenn beide Eltern Psychotherapeuten sind?. Diese Frage, von Host David Pross fast beiläufig gestellt, öffnete die Tür zu Bohrn Menas innerer Welt. Er erzählte von einer Kindheit, in der das Sprechen über Träume am Frühstückstisch zum Alltag gehörte. "Meine Mutter ist Psychoanalytikerin [...], mein Vater ist Gesprächstherapeut", schilderte er. Diese Konstellation sei als Kind grandios gewesen. Es war ein frühes Training in Selbstreflexion, das ihn lehrte, seine Emotionen zu ergründen und zu verstehen, was Erlebnisse mit ihm machen. Diese Erziehung, so wurde im Gespräch deutlich, ist der Nährboden für jene differenzierte Herangehensweise, die viele an seinen öffentlichen Auftritten schätzen – die Fähigkeit, auch in hitzigen Debatten nicht nur in Schwarz oder Weiß zu denken. "Dieses differenzierte Betrachten von Sachverhalten, von Personen, aber auch von sich selbst, ist eigentlich die Grundbasis dessen, was ich gelernt habe" , resümierte Bohrn Mena, der selbst einen Doktor der Psychotherapiewissenschaften besitzt. Dieses Rüstzeug erweist sich als unschätzbar, wenn er in Fernsehduellen auf politische Gegner trifft, wo es manchmal "sehr emotional, manchmal auch sehr persönlich wird". Besonders bei Themen wie Migration und Rassismus, die durch die Fluchtgeschichte seiner chilenischen Mutter tief in seiner eigenen Biografie verwurzelt sind, wird die professionelle Distanz zur Herausforderung. "Das triggert was in mir. Das muss ich ganz offen sagen". Er gestand, sich manchmal über sich selbst zu ärgern, wenn er emotional werde, wo er es nicht wollte. Doch er plädierte eindringlich dafür, sich die Menschlichkeit zu bewahren: "Trotzdem glaube ich, ist es wichtig, dass wir Menschen bleiben und das bedeutet, dass wir ehrlich reagieren auf etwas". Der bedrohte Grundkonsens: Ein Plädoyer für die Rettung der Demokratie Vom Persönlichen schlug die Unterhaltung den Bogen zu den großen gesellschaftlichen Verwerfungen. Als größtes Problem unserer Zeit identifizierte Bohrn Mena das systematische Erodieren der Demokratie. Über Jahrzehnte, so seine Analyse, sei den Menschen ein Denken in Konkurrenz und Ellenbogenmentalität eingetrichtert worden , das uns zu Gegnern statt zu Verbündeten mache. Dies höhle den Grundkonsens unserer Gesellschaft aus: die Solidarität und das Prinzip des Miteinanders. "Ich glaube tatsächlich, dass unsere Demokratie angezählt ist" , warnte er mit ernstem Unterton und verwies auf die wachsende Zahl von Menschen, die sich einen "starken Führer" wünschen. Host David Pross warf an dieser Stelle ein, dass es nicht nur ein emotionales, sondern auch ein massives intellektuelles Problem gäbe: eine mangelnde politische Grundbildung. Viele Bürger wüssten nicht einmal, was sie wählten, weil ihnen grundlegende Prinzipien wie die Gewaltentrennung fremd seien. Sein radikaler Vorschlag eines "Wahlführerscheins" stieß bei Bohrn Mena auf offene Ohren für eine Reform, auch wenn er den Hebel woanders ansetzen würde: bei der politischen Bildung, die bereits im Kindergarten beginnen müsse , und bei der Frage, warum man nicht stellvertretend für seine Kinder wählen dürfe, um deren Zukunft mehr Gewicht zu verleihen. Wut als Motor und die Falle des Populismus Einig waren sich beide, dass die Unzufriedenheit vieler Menschen, die "in der Früh hackeln geht und am Abend heimkommt", der Treibstoff für populistische Bewegungen ist. Die FPÖ, so Bohrn Mena, habe es perfektioniert, "der einzige Kanal für Wut in diesem Land" zu sein. Er warnte davor, diese Wut zu negieren, denn sie sei eine "unglaublich mächtige und wertvolle Emotion". Statt die Menschen zu beschwichtigen, müsse man anerkennen: "Du hast recht mit deiner Wut". Die Kunst bestehe darin, diese mobilisierende Kraft für ein gemeinschaftliches Ziel zu kanalisieren, anstatt sie einem "vermeintlich starken Mann" zu überlassen – ein Weg, der historisch betrachtet nicht gut ausgegangen sei. Zukunftsszenarien zwischen KI, Klimakrise und Krieg Das Gespräch navigierte weiter durch die großen Krisenherde der Zukunft. Die künstliche Intelligenz, die, wie Pross aus seiner Perspektive als Musiker schilderte, ganze Berufsfelder zu revolutionieren und zu vernichten droht , sei laut Bohrn Mena nur zu bewältigen, wenn die Politik dafür sorgt, dass die gigantischen Gewinne der Tech-Konzerne der Gemeinschaft zugutekommen. Es sei ein Verteilungsproblem , das sich auch in der Geringschätzung von unbezahlter Sorgearbeit, die meist von Frauen geleistet wird, zeige. Als weiteres existenzielles Megathema benannte er den Wert der Natur. Unser Wirtschaftssystem, das einem Baum erst dann einen Wert zubilligt, wenn man ihn umhackt, führe geradewegs in die Katastrophe. Wir müssten verstehen, "dass wir ein Bestandteil der Natur sind" und ihr wieder Raum geben. Den düsteren Abschluss bildete das Thema Krieg, das alle anderen Krisen wie unter einem Brennglas bündelt. Hier zeigte sich auch der einzige klare Dissens zwischen den Gesprächspartnern. Während Bohrn Mena leidenschaftlich argumentierte, dass es aus pazifistischer Sicht feige sei, einem überfallenen Volk wie der Ukraine die Waffen zur Selbstverteidigung zu verweigern , äußerte Pross sein tiefes Unverständnis darüber, wie Waffenlieferungen je eine Lösung für Krieg sein könnten. Es war ein Moment, der die ganze Komplexität und die moralischen Zwickmühlen unserer Zeit offenbarte. Das Gespräch im Kollektivpodcast war mehr als nur ein Interview. Es war eine gemeinsame, schonungslose Bestandsaufnahme, die den Zuhörer nachdenklich und mit dem Gefühl zurücklässt, dass die Rettung der Demokratie und die Bewältigung der globalen Krisen bei jedem Einzelnen und im gemeinschaftlichen Handeln beginnen. Eine Einladung, nicht wegzusehen, sondern sich einzumischen – und sich vielleicht die ganze, faszinierende Tiefe dieses Dialogs im Podcast selbst anzuhören.