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DER ZEITLOSE CHARME VON LO-FI

Photo (C) John McConnico



Ist heute die Rede von Lo-Fi, denken viele an die allseits verbreiteten Lo-Fi Hip Hop-Videos mit dem schreibenden Animemädchen und ihrer Katze am Fenstersims. Seine Ursprünge hat der Lo-Fi (kurz für Low Fidelity, als Gegensatz zu High Fidelity) allerdings vor allem im 1950er Rock'n'Roll, dem 1960er Garage rock und dem 1970er Punk. Für junge Musikschaffende war es damals verständlicherweise nicht immer erschwinglich qualitativ hochwertige Alben aufzunehmen, weshalb man eben die günstigsten und schnellsten Produktionsmittel heranzog die man für sein Taschengeld kriegen konnte. Oft wurden einfach Demos produziert, die man auf Kassetten kopierte und für ein paar Kröten verscheuern konnte. Manche verstanden sich aber auch darin in die rauen, ungeschliffenen Aufnahmen so viel Herz zu stecken, dass sie ihre eigene Authentizität und Charme entwickelten.


In den 1980er und 1990ern wurde "Lo-Fi" zunehmend synonym mit Indie- und Alternative Rock verwendet, bevor er sich in den 2000ern durch die aufblühende Bedroom Producer-Szene auch in elektronischen Gefilden niederließ. Heute wird er häufig auf ein ästhetisches, Nostalgie auslösendes Stilmittel reduziert, den Einfluss des klassischen Lo-Fi auf die zeitgenössische Musik kann man aber nicht leugnen. Viele der heute bekannten Indie- und Alternative Rockbands wurden vom Lo-Fi und seinen einsamen Streitern geprägt. Im Folgenden präsentieren wir eine Auswahl fantastischer Lo-Fi-Alben, die wir euch dringend ans Herz legen möchten...





Daniel Johnston - Hi, How Are You - The Unfinished Album (1983)


Daniel Dale Johnston (1961 - 2019) war ein amerikanischer Singer-Songwriter und Visual artist, der heute als wichtige Persönlichkeit der Outsider art, Lo-fi und Alternative music gewertet wird. Johnston befand sich jahrelang wegen einer bipolaren Störung in psychiatrischer Behandlung. Erste lokale Bekanntheit erlangte er in den 1980ern durch den Verkauf seiner Kassetten in Austin, Texas. International fiel er erst auf, als Kurt Cobain in den 1990ern mit einem T-Shirt herumlief, auf dem das Cover zu Johnston's unvollendeten Album Hi, How Are You abgebildet war. Obwohl er zu der Zeit in einer Anstalt residierte, begann ein wahrer Wettstreit darum ihn unter Vertrag zu nehmen. 2004 erschien die Compilation The Late Great Daniel Johnston: Discovered Covered mit Coverversionen von Tom Waits, Beck, TV on the Radio, Jad Fair, Eels, Bright Eyes, Calvin Johnson, Death Cab for Cutie, Sparklehorse, Mercury Rev, The Flaming Lips und Starlight Mints. Daniel Johnston starb 2019 an den Folgen eines Herzinfarkts.







The Godz - Contact High With The Godz (1966)


Eine in den 1960ern in New York gegründete AvantNoise und Psychedelic Band, bestehend aus Gitarrist Jim McCarthy, Bassist Larry Kessler, Autoharpist Jay Dillon, Schlagzeuger Paul Thornton und einigen wechselnden Musikern. Berichten der Kernbesetzung zufolge geschah die Gründung der Band unbeabsichtigt, als Jim aus Frust ein zufällig daliegendes Tambourine schüttelte und der Rest begann sich ihm lärmend anzuschließen. Larry habe dann später vorgeschlagen mit der spontan gegründeten Besetzung beim Recordlabel ESP-Disk vorzusprechen, was wider Erwarten zum Erfolg führte. Über 50 Jahre nach ihrem ersten Album Contact High WIth The Godz wird die Band von Kennern immer noch für ihren seltsamen, dissonanten und wirren Lo-Fi-Sound geschätzt.







R. Stevie Moore ‎– Invites Comparison (1973)


Ein weiterer großer Pionier der heimgemachten Lo-Fi / DIY music, der auch als der "Godfather of home recording" bezeichnet wurde, war der Multiinstrumentalist Robert Steven Moore alias R. Stevie Moore (* 1952) aus Nashville Tennesy. Er war eine der treibenden Kräfte des Cassette Underground, mit etwa drei Dutzend "offizieller" Alben auf verschiedenen Labeln, die allerdings Compilations mit der besten Musik aus seinen über 400 inoffiziellen, selbstaufgelegten Kassettenalben darstellen. Seine Arbeiten übten großen Einfluss auf die spätere Bedroom und Hypnagogic Pop-Szene aus. Moore wuchs unter großem Druck seitens seines Vaters Bob Moore auf, der seinerseits Bassist für das Studiomusiker-Konglomerat The Nashville A-Team war, das großen Acts wie Elvis Presley, Jerry Lee Lewis, und Bob Dylan assistierte. Bob drückte schon früh sein Missfallen darüber aus, dass sein Sohn nicht mehr aus seinem Leben machte, nichtsahnend das ihn dieser in Bedeutung für die internationale Musikwelt noch weit übertreffen würde.



 




Smog - Tired Tape Machine (1990)


Bill Callahan (* 1966) wurde in Silver Spring, Maryland geboren und wuchs zu einem experimentellen Singer/Songwriter heran, der unter dem Namen Smog bekannt wurde. Zu seinen Wegbegleitern zählten Cynthia Dall, Jason Dezember und Ron Burns, er arbeitete aber später u.a. auch mit Producer Jim O'Rourke (Sonic Youth), John McEntire (Tortoise, The Sea and Cake) und Neil Hagerty (Pussy Galore) zusammen. Seine ersten Kassettenalben entstanden mithilfe eines Vierspurgeräts in zum Teil grenzwertigster Klangqualität, tatsächlich dem schieren Geldmangel geschuldet. Im Vergleich dazu waren seine späteren Veröffentlichungen die ab 1992 beim chicagoer Label Drag City erschienen deutlich klarer und imposanter, den eigenen Appeal von Lo-Fi legte er jedoch nie ab. Das 1990 erschienene Kassettenalbum Tired Tape Machine ist gespickt mit klanglich wechselnden, experimentellen Noise-Ergüssen, sowie Fragmenten ruhigeren, verständlicheren Alternative & Indie rocks.







Beck - Stereopathetic Soulmanure (1994)


Richtig gelesen: DER Beck! Auch der berühmte 1970 in Los Angeles, Kalifornien geborene Singer/Songwriter hatte seine Karriere mit dem Verkauf kratziger Lo-Fi-Kassettenalben begonnen, ehe seine 1993 erschienene Single Loser zu einem überraschenden Welthit avancierte. Obwohl ihm die Plattenlabels die Türe eintraten, ließ er sich seine künstlerischen Freiheiten nicht nehmen und legte 1994 - eine Woche vor Mellow Gold - mit seinem zweiten Studioalbum Stereopathetic Soulmanure bewusst ein antikommerzielles Machwerk hin das fernab allen Mainstreams ist. Folkrock, Country und Punk-Elemente gepaart mit allerlei Heim-, Studio- und Liveaufnahmen, sowie Soundcollagen, Field recordings und abstrakten Noise-Spielereien.  



 

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