UNERHÖRT #7 WINTER-EDITION

Musik-Geheimtipps, die sie inspirieren werden...#7

Sie werden denken: "Was will denn DER schon wieder!?" Einmal mehr möchte uns jemand seine "Musik-Geheimtipps" präsentieren. Nun - genau das ist der Fall. Nur sie werden sehen und vor allem HÖREN, dass diese Geheimtipps, auch SIE inspirieren können und werden. Ergänzt - wie immer - mit "persönlicher Note".


THE DECEMBERIST - TRIPPING ALONG

Colin Meloy's Stimme erinnert mich irgendwie an eine Mischung aus Tom Minchin und Richard Paul Ashcroft, dem Sänger von The Verve. Die muskalische "gute alte Zeit" kommt da wieder zurück - sphärisch, melancholisch und dennoch mit wunderbaren, warmen Harmonien begeistert die Band aus dem Land von Frank Stronach (Kanada), die mit einem Klima aufgewachsen sind, wie man es auch aus Österreich kennt - nämlich in der Stadt mit dem bekannten Lan Su Chinese Garden, Portland. Der Name "The Decemberists" bezieht sich auf russische Revolutionäre, Offiziere der russischen Armee, die am 26. Dezember 1825 auf dem Platz vor dem Senat in Sankt Petersburg den Eid auf den neuen Kaiser Nikolaus I. verweigerten.


GREAT LAKE SWIMMERS - THE TALKING WIND

Schon wieder Kanada! Aus Toronto kommt Tony Dekker, der hier mit "The Great Lake Swimmers" schon im Bandnamen die großen kanadischen Seen besingt. Den Eriesee, den Ontariosee und den Huronsee - dort wo er auch aufgewachsen ist. Anfangs startet er ein Soloprojekt - doch im Lauf der Zeit kommen immer mehr Bandmitglieder dazu. Folkmusic der 60er prägt den Sound der Band mit den nachdenklichen Texten. Melancholisch kommt auch der Gesangsstil rüber und damit sind The Great Lake Swimmers bestimmt nicht für jeden etwas - aber gerade für die kalten Jahreszeit ist der Sound gut geeignet. Still und starr steht das Reh.


HORSE FEATHERS - WITHOUT APPLAUSE

Ui - offenbar heute die Kanada-Edition hier in den Kollektiv Unerhört Songempfehlungen! Horse Feathers begeistern aber nicht nur mit ihrer Herkunft sondern auch mit einem sehr einfallsreichen Video. Die Band um Justin Ringle, Nathan Crockett, J. Tom Hnatow und Robby Cosenza begeistert allerdings selbst durch "Multikulti" und ist deswegen alles andere als beliebig zusammengestellt.


THE LOW ANTHEM - BONE OF SAILOR, BONE OF BIRD

Wir wechseln das Land - nach Rhode Island in den Vereinigten Staaten von Amerika. 3 Stunden Fahrzeit von Manhattan entfernt liegt Providence, eine der ältesten Städte der U.S.A. Gegründet von Roger Williams im Jahr 1636. Falls das eines Tages für sie die Millionenfrage wird, hätte ich gerne 50%. Ich denke das ist ein ziemlich großzügiges Angebot von mir. Das hätten sie sonst doch nie von jemandem erfahren. Nun weiter mit der Band. Lenken sie mich nicht dauern ab. Ben Knox Miller, Jeff Prystowsky, Florence Grace Wallis und Bryan Minto - sind die aktuellen Mitglieder der Band. Und die beiden zuerst genannten hatten ihre ersten Radioerfahrungen als Radio-DJs in einer nächtlichen Jazz-Radioshow beim Radiosender der Brown Universität WBRU. Sie wurden dabei Freunde. Vor ungefähr 10 Jahren hat die Band sich im Columbus Theatre in der "alten Stadt" ein Studio eingerichtet.


OMOH - ITS LEADING NOWHERE

Das französische Pop-Duo um Clément Agapitos & Babtiste Homo begeistert gerade in der Vorweihnachtszeit mit sphärischem, emotionalen Sound zum Kekse backen. Für mich als Party-Pooper wäre das auch ein idealer Sound für eine Sad-Party. Ach, was mir da schon wieder für Ideen kommen. Man könnte ruhig auch einmal einem Party für das etwas andere Spektrum der Emotionen veranstalten. Warum immer bunt und fröhlich wenn es auch an der Melancholie vieles zu lieben gibt. Die Band kommt aus Nîmes, Frankreich. Gerade mal einmal eine Autostunde von Montpellier entfernt. Eine Stadt, die zu ihren bekannten Persönlichkeiten auch Pierre Michel d’Ixnard zählt - einen bekannten französischen Baumeister und Wegbereiter des frühen Klassizismus in Süddeutschland, der unter anderem für den Dom zum St. Blasien verantwortlich zeichnet.


SPENDTIME PALACE - ROMANTIC GETAWAY

Die Band aus Costa Mesa, nur 15 Minuten mit dem Auto entfernt von Salzburg in Newport Beach, Kalifornien (in der Nähe von Santa Monica - der bekannten Baywatch-Real-Life-Kulisse) präsentiert ihr zweites Album "All inclusive Romantic Getaway" und sehnt sich damit offenbar bereits nach Entspannung. Ein Mischmasch aus Synth-Sounds und Pop/Rock ist es geworden - mit Sean Flores, Dan Fowlie (sehr fleißig!), Elijah Chavis und Michael McClanahan (kein Künstlername) sowie Brandon Knickerbocker (nicht verwandt mit Thomas Brezina) als musikalische Leitfiguren.  Und die Band versucht es in anderen Scheiben auch mit "Humor".


CLÉA VINCENT - POUPÉE CANAPÉ

Ein weiterer toller Song sei gleich an dieser Stelle empfohlen. Cléa Vincent hat eine ganze Diskografie voller eingängiger, kleiner, französischer Melodien. Sehr modern und gleichzeitig "schön" - eine seltene Kombi. Geboren 1985 nennt sie einige andere Bands als ihre musikalischen Einflüsse. Unter anderem Cassius, Phoenix, Air, Daft Punk oder Benjamin Diamond.


DJO - PERSONAL LIES

Joe Leery aus Boston, Massachusetts in den USA wurde als Schauspieler bekannt weil er in der Serie Stranger Things Steve Harrington spielte. Jetzt versucht er als Musiker bekannt zu werden indem er in seinem eigenen Projekt DJO den Sänger spielt. Und das macht er so überzeugend, dass man ihm auch diese Rolle wirklich abnimmt. Aus dem Debutalbum "Twenty Twenty" hier die Single "Personal Lies". Und man hört sie noch, die Einflüsse seiner Ex-Band Post Animal aus Chicago mit Psych-Rock und Garage.


ATZUR - HOME TO HOME

Aus der Reihe: "Warum eigentlich immer nur Schei*musik zum Song-Contest geschickt wird, wenn es so gute Sachen gibt" stellen wir hier einmal  mehr die Frage, warum diese Art der Popmusik aus Österreich nicht schon längst weltweit erfolgreicher ist. Das wird sich zweifelsohne nach der Erwähnung im Kollektiv Magazin dramatisch ändern für die Band. Hier kommt handgemachter Pop aus Österreich mit spanischen Einflüssen (Sängerin: Patricia Narbón) - schön, groß, gefühlsgewaltig, eigentlich international und anspruchsvoll und doch einmal mehr totgeboren (?!) in einem Land, das - aus der Asche des zweiten Weltkriegs geformt - von der Musikwelt verdammt und/oder bewusst vergessen wurde. Atzur. Blau wie die Donau. Da braucht man mehrere Standbeinde - wie Patricia. Sie ist Fotografin, Stylistin, Kreativdirektorin und Musikerin. Klingt nach Stress. Hier eine Übersicht auf ihrem Instagram Account.


KRISTEEN YOUNG FT. DAVID BOWIE - AMERICAN LANDFILL

Dissonannt, gestört und anders. So kann man den Sound von Kristeen Young allgemein beschreiben. Sie wird 1975 als Adoptivtochter christlicher Fundamentalisten geboren - ihre Eltern deutscher und indianischer Abstammung. Ihre Adoptiveltern haben sie laut ihren Erzählungen so stark von der Außenwelt abgeschirmt, dass sie eigene Phantasiewelten geschaffen hat. Diese Welten sind so fantastisch, dass sogar Lady Gaga einmal ein Plastikblasen-Kleid-Design von ihr geklaut hat. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit David Bowie? Nun Kristeen Young tourte viele Jahre als Vorband mit Morrissey. Damals - ungefähr 2003 - hat sie ein Album produziert, auch mit einem Song zusammen mit David Bowie. 2019 dachte sie darüber nach, dass es schade wäre, dass niemand den Song kennen würde und entschied, den Sound dazu neu zu erfinden und den Song neu zu releasen. Mehr zum Song gibt es hier in einem Interview mit "Brookly Vegan". Einem Musikblog von David Levine in dem es neben Live-Musik in Brooklyn tatsächlich auch um vegane Restaurant-Optionen in der Umgebung geht. Was es nicht alles gibt, nicht wahr?


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#FEEDBACK

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EinBlick in die Seele der Gesellschaft: Sebastian Bohrn Mena im Kollektivpodcast In der intimen Atmosphäre des Kollektivpodcasts, einem Raum für tiefgründige Gespräche, die, wie der Name schon andeutet, für die gesamte Menschheit von Belang sein sollen, entfaltete sich ein Dialog von seltener Offenheit und Dringlichkeit. Zu Gast bei Musiker und Host David Pross war der Autor und bekannte TV-Analyst Sebastian Bohrn Mena. Was als Aufwärmrunde über seine ungewöhnliche Kindheit begann, entwickelte sich schnell zu einer messerscharfen Analyse der Zerreißproben, denen unsere moderne Welt ausgesetzt ist. Es war ein Gespräch, das von persönlichen Prägungen zu den größten Problemen der Menschheit führte und dabei die feinen Linien zwischen Psychologie, Politik und dem puren Menschsein nachzeichnete. Am Frühstückstisch der Therapeuten: Eine Kindheit unter dem Zeichen der Reflexion Wie prägt es einen Menschen, wenn beide Eltern Psychotherapeuten sind?. Diese Frage, von Host David Pross fast beiläufig gestellt, öffnete die Tür zu Bohrn Menas innerer Welt. Er erzählte von einer Kindheit, in der das Sprechen über Träume am Frühstückstisch zum Alltag gehörte. "Meine Mutter ist Psychoanalytikerin [...], mein Vater ist Gesprächstherapeut", schilderte er. Diese Konstellation sei als Kind grandios gewesen. Es war ein frühes Training in Selbstreflexion, das ihn lehrte, seine Emotionen zu ergründen und zu verstehen, was Erlebnisse mit ihm machen. Diese Erziehung, so wurde im Gespräch deutlich, ist der Nährboden für jene differenzierte Herangehensweise, die viele an seinen öffentlichen Auftritten schätzen – die Fähigkeit, auch in hitzigen Debatten nicht nur in Schwarz oder Weiß zu denken. "Dieses differenzierte Betrachten von Sachverhalten, von Personen, aber auch von sich selbst, ist eigentlich die Grundbasis dessen, was ich gelernt habe" , resümierte Bohrn Mena, der selbst einen Doktor der Psychotherapiewissenschaften besitzt. Dieses Rüstzeug erweist sich als unschätzbar, wenn er in Fernsehduellen auf politische Gegner trifft, wo es manchmal "sehr emotional, manchmal auch sehr persönlich wird". Besonders bei Themen wie Migration und Rassismus, die durch die Fluchtgeschichte seiner chilenischen Mutter tief in seiner eigenen Biografie verwurzelt sind, wird die professionelle Distanz zur Herausforderung. "Das triggert was in mir. Das muss ich ganz offen sagen". Er gestand, sich manchmal über sich selbst zu ärgern, wenn er emotional werde, wo er es nicht wollte. Doch er plädierte eindringlich dafür, sich die Menschlichkeit zu bewahren: "Trotzdem glaube ich, ist es wichtig, dass wir Menschen bleiben und das bedeutet, dass wir ehrlich reagieren auf etwas". Der bedrohte Grundkonsens: Ein Plädoyer für die Rettung der Demokratie Vom Persönlichen schlug die Unterhaltung den Bogen zu den großen gesellschaftlichen Verwerfungen. Als größtes Problem unserer Zeit identifizierte Bohrn Mena das systematische Erodieren der Demokratie. Über Jahrzehnte, so seine Analyse, sei den Menschen ein Denken in Konkurrenz und Ellenbogenmentalität eingetrichtert worden , das uns zu Gegnern statt zu Verbündeten mache. Dies höhle den Grundkonsens unserer Gesellschaft aus: die Solidarität und das Prinzip des Miteinanders. "Ich glaube tatsächlich, dass unsere Demokratie angezählt ist" , warnte er mit ernstem Unterton und verwies auf die wachsende Zahl von Menschen, die sich einen "starken Führer" wünschen. Host David Pross warf an dieser Stelle ein, dass es nicht nur ein emotionales, sondern auch ein massives intellektuelles Problem gäbe: eine mangelnde politische Grundbildung. Viele Bürger wüssten nicht einmal, was sie wählten, weil ihnen grundlegende Prinzipien wie die Gewaltentrennung fremd seien. Sein radikaler Vorschlag eines "Wahlführerscheins" stieß bei Bohrn Mena auf offene Ohren für eine Reform, auch wenn er den Hebel woanders ansetzen würde: bei der politischen Bildung, die bereits im Kindergarten beginnen müsse , und bei der Frage, warum man nicht stellvertretend für seine Kinder wählen dürfe, um deren Zukunft mehr Gewicht zu verleihen. Wut als Motor und die Falle des Populismus Einig waren sich beide, dass die Unzufriedenheit vieler Menschen, die "in der Früh hackeln geht und am Abend heimkommt", der Treibstoff für populistische Bewegungen ist. Die FPÖ, so Bohrn Mena, habe es perfektioniert, "der einzige Kanal für Wut in diesem Land" zu sein. Er warnte davor, diese Wut zu negieren, denn sie sei eine "unglaublich mächtige und wertvolle Emotion". Statt die Menschen zu beschwichtigen, müsse man anerkennen: "Du hast recht mit deiner Wut". Die Kunst bestehe darin, diese mobilisierende Kraft für ein gemeinschaftliches Ziel zu kanalisieren, anstatt sie einem "vermeintlich starken Mann" zu überlassen – ein Weg, der historisch betrachtet nicht gut ausgegangen sei. Zukunftsszenarien zwischen KI, Klimakrise und Krieg Das Gespräch navigierte weiter durch die großen Krisenherde der Zukunft. Die künstliche Intelligenz, die, wie Pross aus seiner Perspektive als Musiker schilderte, ganze Berufsfelder zu revolutionieren und zu vernichten droht , sei laut Bohrn Mena nur zu bewältigen, wenn die Politik dafür sorgt, dass die gigantischen Gewinne der Tech-Konzerne der Gemeinschaft zugutekommen. Es sei ein Verteilungsproblem , das sich auch in der Geringschätzung von unbezahlter Sorgearbeit, die meist von Frauen geleistet wird, zeige. Als weiteres existenzielles Megathema benannte er den Wert der Natur. Unser Wirtschaftssystem, das einem Baum erst dann einen Wert zubilligt, wenn man ihn umhackt, führe geradewegs in die Katastrophe. Wir müssten verstehen, "dass wir ein Bestandteil der Natur sind" und ihr wieder Raum geben. Den düsteren Abschluss bildete das Thema Krieg, das alle anderen Krisen wie unter einem Brennglas bündelt. Hier zeigte sich auch der einzige klare Dissens zwischen den Gesprächspartnern. Während Bohrn Mena leidenschaftlich argumentierte, dass es aus pazifistischer Sicht feige sei, einem überfallenen Volk wie der Ukraine die Waffen zur Selbstverteidigung zu verweigern , äußerte Pross sein tiefes Unverständnis darüber, wie Waffenlieferungen je eine Lösung für Krieg sein könnten. Es war ein Moment, der die ganze Komplexität und die moralischen Zwickmühlen unserer Zeit offenbarte. Das Gespräch im Kollektivpodcast war mehr als nur ein Interview. Es war eine gemeinsame, schonungslose Bestandsaufnahme, die den Zuhörer nachdenklich und mit dem Gefühl zurücklässt, dass die Rettung der Demokratie und die Bewältigung der globalen Krisen bei jedem Einzelnen und im gemeinschaftlichen Handeln beginnen. Eine Einladung, nicht wegzusehen, sondern sich einzumischen – und sich vielleicht die ganze, faszinierende Tiefe dieses Dialogs im Podcast selbst anzuhören.