HIGH NOON AN DER DATUMSGRENZE (SATIRE)

Aus der Reihe Hanuschplatz, erschienen in den Zeitschriften MFK (2013- 15) und mosaik - Zeitschrift für Literatur und Kultur (2015 - 19).



Wo ist eigentlich ‚hinter der Brücke’? Jenseits der Auslassung unter der Brücke? Oben, auf der gegenüberliegenden Seite? Oder schon im Inneren des Gemäuers? Mit diesen und ähnlichen Fragen hält man ein ins Stocken geratenes Gespräch schon ganz gut in Gang. Irgendwer findet sich immer, der mit seinem Wissen glänzen will. Auch gut sind Spiele: „Können Sie aus dem Stand 10 Filme von Steven Spielberg nennen, Fortsetzungen nicht mitgerechnet?“ Das ist überraschenderweise gar nicht so einfach. Und das, obwohl eine Aufzählung seiner Werke deutlich länger ausfiele als Schindlers Liste.


Was schauen Sie auf einmal so bös? Ach so, Sie meinen, das wäre geschmacklos! Auch seltsam, wenn man darüber nachdenkt: Dass man die deftigen Sachen als geschmacklos bezeichnet, wo es doch gerade die faden und trockenen Dinge im Leben sind, die etwas Würze vertragen könnten. Aber ich seh schon, sie wollen das nicht unter den Tisch fallen lassen. Gut, wenn Sie ein Duell wollen: Morgen, High Noon, an der Datumsgrenze. Kommen Sie nicht zu spät, sonst geh ich Palatschinken essen. Das kommt vom lateinischen Wort Placenta, haben sie das gewusst? „So, und welche Marmelade wollen Sie heute auf Ihren Mutterkuchen?“ Hahaha!


Dem Diktat, dass man nur noch ‚Marmelade’ sagen darf, wenn sie aus Zitrusfrüchten hergestellt wurde, verwehre ich mich. Zu Erdbeermarmelade sagt man ja auch nicht Nutella! Die Körnchen außenrum sind in Wahrheit nämlich kleine Nüsschen, das rote Zeug ist ‚nur’ der Fruchtboden, auf dem sie wachsen. Beeren, dazu gehören Tomaten! Es käme aber auch niemand auf die Idee Ketchup als Konfitüre zu bezeichnen. ‚Konfitüre’ – allein schon das Wort! Das klingt so Etepetete. Als säße man im seidenen Morgenmantel an seinem Frühstückstisch aus Tropenholz, in seiner Villa am Comer See, während sich draußen die Schwäne am naturbelassenen Kaviar verlustieren. Wohingegen sich ‚Aufstrich’ anhört, als würde man ihn sich im verschwitzten Unterhemd, mit einer Maurerkelle aufs Brot spachteln, während draußen die wenigen verbliebenen Vögel über den qualmenden Schornsteinen zusammenbrechen.


Apropos zusammenbrechen: Ein Lieblingszitat des Kollegen Marko Dinić, der diesen kleinen Aufsatz hier gut abrunden würde, stammt von Franz Kafka und lautet: „Ohne einzustürzen kann keine einmal errichtete Brücke aufhören, Brücke zu sein.“ Was dahinter wohl zum Vorschein kommt? Englische Kiefern? Eine Schachtel Pralinen? Was schauen Sie schon wieder so bös? Ich hab das schöne Ende ruiniert?! Och, das tut mir jetzt aber leid!

#FEEDBACK

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EinBlick in die Seele der Gesellschaft: Sebastian Bohrn Mena im Kollektivpodcast In der intimen Atmosphäre des Kollektivpodcasts, einem Raum für tiefgründige Gespräche, die, wie der Name schon andeutet, für die gesamte Menschheit von Belang sein sollen, entfaltete sich ein Dialog von seltener Offenheit und Dringlichkeit. Zu Gast bei Musiker und Host David Pross war der Autor und bekannte TV-Analyst Sebastian Bohrn Mena. Was als Aufwärmrunde über seine ungewöhnliche Kindheit begann, entwickelte sich schnell zu einer messerscharfen Analyse der Zerreißproben, denen unsere moderne Welt ausgesetzt ist. Es war ein Gespräch, das von persönlichen Prägungen zu den größten Problemen der Menschheit führte und dabei die feinen Linien zwischen Psychologie, Politik und dem puren Menschsein nachzeichnete. Am Frühstückstisch der Therapeuten: Eine Kindheit unter dem Zeichen der Reflexion Wie prägt es einen Menschen, wenn beide Eltern Psychotherapeuten sind?. Diese Frage, von Host David Pross fast beiläufig gestellt, öffnete die Tür zu Bohrn Menas innerer Welt. Er erzählte von einer Kindheit, in der das Sprechen über Träume am Frühstückstisch zum Alltag gehörte. "Meine Mutter ist Psychoanalytikerin [...], mein Vater ist Gesprächstherapeut", schilderte er. Diese Konstellation sei als Kind grandios gewesen. Es war ein frühes Training in Selbstreflexion, das ihn lehrte, seine Emotionen zu ergründen und zu verstehen, was Erlebnisse mit ihm machen. Diese Erziehung, so wurde im Gespräch deutlich, ist der Nährboden für jene differenzierte Herangehensweise, die viele an seinen öffentlichen Auftritten schätzen – die Fähigkeit, auch in hitzigen Debatten nicht nur in Schwarz oder Weiß zu denken. "Dieses differenzierte Betrachten von Sachverhalten, von Personen, aber auch von sich selbst, ist eigentlich die Grundbasis dessen, was ich gelernt habe" , resümierte Bohrn Mena, der selbst einen Doktor der Psychotherapiewissenschaften besitzt. Dieses Rüstzeug erweist sich als unschätzbar, wenn er in Fernsehduellen auf politische Gegner trifft, wo es manchmal "sehr emotional, manchmal auch sehr persönlich wird". Besonders bei Themen wie Migration und Rassismus, die durch die Fluchtgeschichte seiner chilenischen Mutter tief in seiner eigenen Biografie verwurzelt sind, wird die professionelle Distanz zur Herausforderung. "Das triggert was in mir. Das muss ich ganz offen sagen". Er gestand, sich manchmal über sich selbst zu ärgern, wenn er emotional werde, wo er es nicht wollte. Doch er plädierte eindringlich dafür, sich die Menschlichkeit zu bewahren: "Trotzdem glaube ich, ist es wichtig, dass wir Menschen bleiben und das bedeutet, dass wir ehrlich reagieren auf etwas". Der bedrohte Grundkonsens: Ein Plädoyer für die Rettung der Demokratie Vom Persönlichen schlug die Unterhaltung den Bogen zu den großen gesellschaftlichen Verwerfungen. Als größtes Problem unserer Zeit identifizierte Bohrn Mena das systematische Erodieren der Demokratie. Über Jahrzehnte, so seine Analyse, sei den Menschen ein Denken in Konkurrenz und Ellenbogenmentalität eingetrichtert worden , das uns zu Gegnern statt zu Verbündeten mache. Dies höhle den Grundkonsens unserer Gesellschaft aus: die Solidarität und das Prinzip des Miteinanders. "Ich glaube tatsächlich, dass unsere Demokratie angezählt ist" , warnte er mit ernstem Unterton und verwies auf die wachsende Zahl von Menschen, die sich einen "starken Führer" wünschen. Host David Pross warf an dieser Stelle ein, dass es nicht nur ein emotionales, sondern auch ein massives intellektuelles Problem gäbe: eine mangelnde politische Grundbildung. Viele Bürger wüssten nicht einmal, was sie wählten, weil ihnen grundlegende Prinzipien wie die Gewaltentrennung fremd seien. Sein radikaler Vorschlag eines "Wahlführerscheins" stieß bei Bohrn Mena auf offene Ohren für eine Reform, auch wenn er den Hebel woanders ansetzen würde: bei der politischen Bildung, die bereits im Kindergarten beginnen müsse , und bei der Frage, warum man nicht stellvertretend für seine Kinder wählen dürfe, um deren Zukunft mehr Gewicht zu verleihen. Wut als Motor und die Falle des Populismus Einig waren sich beide, dass die Unzufriedenheit vieler Menschen, die "in der Früh hackeln geht und am Abend heimkommt", der Treibstoff für populistische Bewegungen ist. Die FPÖ, so Bohrn Mena, habe es perfektioniert, "der einzige Kanal für Wut in diesem Land" zu sein. Er warnte davor, diese Wut zu negieren, denn sie sei eine "unglaublich mächtige und wertvolle Emotion". Statt die Menschen zu beschwichtigen, müsse man anerkennen: "Du hast recht mit deiner Wut". Die Kunst bestehe darin, diese mobilisierende Kraft für ein gemeinschaftliches Ziel zu kanalisieren, anstatt sie einem "vermeintlich starken Mann" zu überlassen – ein Weg, der historisch betrachtet nicht gut ausgegangen sei. Zukunftsszenarien zwischen KI, Klimakrise und Krieg Das Gespräch navigierte weiter durch die großen Krisenherde der Zukunft. Die künstliche Intelligenz, die, wie Pross aus seiner Perspektive als Musiker schilderte, ganze Berufsfelder zu revolutionieren und zu vernichten droht , sei laut Bohrn Mena nur zu bewältigen, wenn die Politik dafür sorgt, dass die gigantischen Gewinne der Tech-Konzerne der Gemeinschaft zugutekommen. Es sei ein Verteilungsproblem , das sich auch in der Geringschätzung von unbezahlter Sorgearbeit, die meist von Frauen geleistet wird, zeige. Als weiteres existenzielles Megathema benannte er den Wert der Natur. Unser Wirtschaftssystem, das einem Baum erst dann einen Wert zubilligt, wenn man ihn umhackt, führe geradewegs in die Katastrophe. Wir müssten verstehen, "dass wir ein Bestandteil der Natur sind" und ihr wieder Raum geben. Den düsteren Abschluss bildete das Thema Krieg, das alle anderen Krisen wie unter einem Brennglas bündelt. Hier zeigte sich auch der einzige klare Dissens zwischen den Gesprächspartnern. Während Bohrn Mena leidenschaftlich argumentierte, dass es aus pazifistischer Sicht feige sei, einem überfallenen Volk wie der Ukraine die Waffen zur Selbstverteidigung zu verweigern , äußerte Pross sein tiefes Unverständnis darüber, wie Waffenlieferungen je eine Lösung für Krieg sein könnten. Es war ein Moment, der die ganze Komplexität und die moralischen Zwickmühlen unserer Zeit offenbarte. Das Gespräch im Kollektivpodcast war mehr als nur ein Interview. Es war eine gemeinsame, schonungslose Bestandsaufnahme, die den Zuhörer nachdenklich und mit dem Gefühl zurücklässt, dass die Rettung der Demokratie und die Bewältigung der globalen Krisen bei jedem Einzelnen und im gemeinschaftlichen Handeln beginnen. Eine Einladung, nicht wegzusehen, sondern sich einzumischen – und sich vielleicht die ganze, faszinierende Tiefe dieses Dialogs im Podcast selbst anzuhören.