DARK ODDITIES #30 (LOST MEDIA EDITION)

Disclaimer: Die hier gezeigten Beiträge enthalten zum Teil erschreckendes, verstörendes Material, sowie schnelle Lichtwechsel die möglicherweise epileptische Anfälle auslösen können. 


(C) Rebecca Hall als Christine Chubbuck im Filmdrama "Christine" (2016)




Prolog



Jeder von uns der ein gewisses Alter erreicht hat, erinnert sich irgendwo an ein Fragment seiner Kindheit. Etwas Ungewöhnliches, Aufwühlendes, das man einmal gesehen oder gehört hat. Das einen Eindruck hinterließ. Aber man erinnert sich nicht genau! Und wenn man danach sucht und fragt, ohne jeden Erfolg, scheint es fast so, als hätte man sich die Sache nur eingebildet. Trotzdem: Die Erinnerung gärt in unserem Unterbewusstsein, regt unsere dunkelsten Fantasien an und verfolgt uns - selbst im Erwachsenenalter - in unseren Alpträumen. Die einzige Hoffnung scheint es zu sein, den Ursprung dieser Erinnerungen ausfindig zu machen und sich ein für allemal seinen Dämonen zu stellen. Aber wie finden, was so lange schon verloren ist?

Im Netz gibt es eine breite Community die sich der Suche nach "Lost Media" verschrieben hat. Material aus Film, Funk und Fernsehen, aus Büchern, Comicheften, Internetvideos und Grafiken, kurz: Jeder nur erdenkliche Form von Medium, das irgendwann einmal verlorengegangen ist. Sei es, weil man es verabsäumt hat das Ganze zu archivieren oder weil es der Zensur zum Opfer gefallen ist. Darunter natürlich auch viele dunkle und verstörende Inhalte, die sich - wie eben beschrieben - in unser Gedächtnis eingebrannt haben. Im Folgenden stellen wir wieder vier Beispiele vor. Wobei wir am Ende auf einen besonders tragischen Fall zu sprechen kommen, der eindringlich aufzeigt, warum man manche Erinnerungen doch lieber ruhen lassen sollte...




Hitogata (Lost)


2004 gab es auf dem japanischen Messageboard 2chan eine Serie über gruselige und erschreckende Werbespots. Ein anonymer User erinnerte sich an eine PSA zum Thema Verkehrssicherheit in dem zwei weiße Gestalten vor dunklem Grund abwechselnd aufblinkten. Man hörte das Klingeln einer Bahnübergangs-Warnanlage und einen Ansager der mit unheilverkündender Stimme erklärt: "Alle zwei Sekunden stirb ein Mensch auf Erden." 
Andere Nutzer erinnerten sich dunkel an den Spot, ihre Beschreibungen wichen allerdings in vielen Punkten ab. Bis heute ist unklar ob es "Hitogata" tatsächlich gegeben hat oder es sich dabei um einen Hoax handelt, der ein Eigenleben entwickelt hat. Das originale Video konnte nie ausfindig gemacht werden, jedoch wurden mehrere Versuche unternommen es zu rekonstruieren, wodurch es auch über den japanischen Raum hinaus an Bekanntheit zunahm. Lost Media-Experte
Blameitonjorge berichtet Näheres:








Cracks (Found)



Am 20. September 2008 beschrieb die Cartoonistin Jennifer Bourne aus Los Angeles, in ihrem Blog Tail O' the Rat, ein verlorenes Segment aus einer 1970er Episode der Sesamstraße, das sie als Kind verstört hatte: Ein kurzer Zeichentrickfilm um ein junges Mädchen, dass mit Tieren reist, die aus den Rissen in ihrer Wand bestehen. Und denen ein schreckliches Rissmonster, genannt der "Crack Master" begegnet. Bourne's Artikel weckte das Interesse zahlreicher Lost Media-Enthusiasten, und erreichte auch Jon Armond, der selbst seit Jahren auf der Suche danach war. Ihm wurde schließlich von anonymer Seite eine DVD mit "Cracks" zugesandt, unter der strengen Auflage sie nicht online zu stellen. Er hielt sich daran, zeigte die Aufnahme nur einigen wenigen Auserwählten, darunter Bourne. Doch machte er sich damit auch bei der Internet-Community unbeliebt, die ihn der Lüge bezichtigte. Fast ist man versucht vom "Fluch des Crack Master" zu sprechen! Es dauerte bis Dezember 2013, bis Lost Media-Wiki-Gründer Daniel Wilson eine eigene Kopie erhielt, die er endlich der breiten Öffentlichkeit zugänglich machen konnte. Kehren wir noch einmal zurück zu Blameitonjorge für Details:





The Clockman (Found)


2012 rief The Flood Forum-User Commander Santa zur Suche nach einem kurzen Trickfilm auf, der ihn als Kind zutiefst verstört hatte. Dieser soll Teil des Kinderprogramms Pinwheel gewesen sein, das zwischen 1977 - 84 auf Nickelodeon lief. Im Mittelpunkt der Geschichte stand ein Zauberer der einen kleinen Jungen entführt und eine Uhr, die Schlag Mitternacht anhält, weswegen er ihm den Namen Clockman gab. Commander Santa's Beitrag wurde zunächst als Hoax oder Creepypasta abgetat; auch half nicht, dass er angab zur Zeit der Ausstrahlung krank im Bett gelegen zu sein. War Commander Santa ein Lügner? Hatte er sich das Ganze nur eingebildet? Entsprangen seine Horrorgeschichten über den Clockman nur seiner makabren Fantasie oder einem Fiebertraum? Es schien fast so, bis sich innert kürzester Zeit weitere User zu Wort meldeten, die sich ebenfalls daran erinnern konnten. Alles Trittbrettfahrer? Ein unabhängiger Post der bereits 2004 von einem gewissen Michael W. Howe gemacht wurde, schaffte Gewissheit - wenn auch einige Details von Commander Santa's Beschreibungen abwichen - und die Lost Media-Community begann zu ermitteln. Die Suche sollte bis Dezember 2017 dauern, als schließlich der ins Englische übersetzte tschechoslowakische Kurzfilm O Parádivé Sally von Dagmar Doubková entdeckt wurde und damit ein für allemal bewiesen, dass Commander Santa nicht verrückt war. Blameitonjorge zum Dritten...






Christine Chubbuck (Lost)


Der 15. Juli 1974 war einer der schwärzesten Tage der US-amerikanischen Fernsehgeschichte. An diesem Tag, um 09:38 Uhr in der Früh, nahm sich die 29-jährige Moderatorin Christine Chubbuck des in Sarasota, Florida ansässigen TV-Senders WXLT-TV vor laufender Kamera das Leben. Was ihren Suizid umso verstörender machte, war der sachliche Ton mit dem sie ihn anmoderierte, ehe sie sich den Revolver an den Schädel hielt und abdrückte. Ihre letzten Worte lauteten: "In keeping with Channel 40’s policy of bringing you the latest in blood and guts, and in living color, you are going to see another first – attempted suicide." An ihrem Platz fand man später ein von ihr vorbereitetes Skript, in dem erschreckend genau die weiteren Ereignisse - der Name des Krankenhauses in das man sie einlieferte und die Feststellung ihres Todes - vortragsfertig festgehalten wurden.

Christine Chubbuck galt als eine brillante und hochprofessionelle Journalistin, hinter den Kulissen war sie allerdings sehr schüchtern und litt an einer schweren Depression, die sich durch eine notwendig gewordene Entfernung ihrer Eierstöcke nur noch verschlimmerte. Der technische Leiter des Senders war geistesgegenwärtig genug, das Bild auszuschalten, ehe sie abdrücken konnte, dennoch war laut und deutlich der Schuss zu hören. Die Tat soll noch auf einer Nebenkamera konserviert worden sein, die entsprechenden Kopien werden aber aus verständlichen Gründen unter Verschluss gehalten. Immer wieder wurden Versuche von besonders morbiden Individuen unternommen diese Kopien in die Finger zu bekommen und online zu stellen. In der breiten Lost Media-Community herrscht allerdings der Konsens, dass diese besser im Verborgenen bleiben. Youtuberin
Storm dazu...



#FEEDBACK

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EinBlick in die Seele der Gesellschaft: Sebastian Bohrn Mena im Kollektivpodcast In der intimen Atmosphäre des Kollektivpodcasts, einem Raum für tiefgründige Gespräche, die, wie der Name schon andeutet, für die gesamte Menschheit von Belang sein sollen, entfaltete sich ein Dialog von seltener Offenheit und Dringlichkeit. Zu Gast bei Musiker und Host David Pross war der Autor und bekannte TV-Analyst Sebastian Bohrn Mena. Was als Aufwärmrunde über seine ungewöhnliche Kindheit begann, entwickelte sich schnell zu einer messerscharfen Analyse der Zerreißproben, denen unsere moderne Welt ausgesetzt ist. Es war ein Gespräch, das von persönlichen Prägungen zu den größten Problemen der Menschheit führte und dabei die feinen Linien zwischen Psychologie, Politik und dem puren Menschsein nachzeichnete. Am Frühstückstisch der Therapeuten: Eine Kindheit unter dem Zeichen der Reflexion Wie prägt es einen Menschen, wenn beide Eltern Psychotherapeuten sind?. Diese Frage, von Host David Pross fast beiläufig gestellt, öffnete die Tür zu Bohrn Menas innerer Welt. Er erzählte von einer Kindheit, in der das Sprechen über Träume am Frühstückstisch zum Alltag gehörte. "Meine Mutter ist Psychoanalytikerin [...], mein Vater ist Gesprächstherapeut", schilderte er. Diese Konstellation sei als Kind grandios gewesen. Es war ein frühes Training in Selbstreflexion, das ihn lehrte, seine Emotionen zu ergründen und zu verstehen, was Erlebnisse mit ihm machen. Diese Erziehung, so wurde im Gespräch deutlich, ist der Nährboden für jene differenzierte Herangehensweise, die viele an seinen öffentlichen Auftritten schätzen – die Fähigkeit, auch in hitzigen Debatten nicht nur in Schwarz oder Weiß zu denken. "Dieses differenzierte Betrachten von Sachverhalten, von Personen, aber auch von sich selbst, ist eigentlich die Grundbasis dessen, was ich gelernt habe" , resümierte Bohrn Mena, der selbst einen Doktor der Psychotherapiewissenschaften besitzt. Dieses Rüstzeug erweist sich als unschätzbar, wenn er in Fernsehduellen auf politische Gegner trifft, wo es manchmal "sehr emotional, manchmal auch sehr persönlich wird". Besonders bei Themen wie Migration und Rassismus, die durch die Fluchtgeschichte seiner chilenischen Mutter tief in seiner eigenen Biografie verwurzelt sind, wird die professionelle Distanz zur Herausforderung. "Das triggert was in mir. Das muss ich ganz offen sagen". Er gestand, sich manchmal über sich selbst zu ärgern, wenn er emotional werde, wo er es nicht wollte. Doch er plädierte eindringlich dafür, sich die Menschlichkeit zu bewahren: "Trotzdem glaube ich, ist es wichtig, dass wir Menschen bleiben und das bedeutet, dass wir ehrlich reagieren auf etwas". Der bedrohte Grundkonsens: Ein Plädoyer für die Rettung der Demokratie Vom Persönlichen schlug die Unterhaltung den Bogen zu den großen gesellschaftlichen Verwerfungen. Als größtes Problem unserer Zeit identifizierte Bohrn Mena das systematische Erodieren der Demokratie. Über Jahrzehnte, so seine Analyse, sei den Menschen ein Denken in Konkurrenz und Ellenbogenmentalität eingetrichtert worden , das uns zu Gegnern statt zu Verbündeten mache. Dies höhle den Grundkonsens unserer Gesellschaft aus: die Solidarität und das Prinzip des Miteinanders. "Ich glaube tatsächlich, dass unsere Demokratie angezählt ist" , warnte er mit ernstem Unterton und verwies auf die wachsende Zahl von Menschen, die sich einen "starken Führer" wünschen. Host David Pross warf an dieser Stelle ein, dass es nicht nur ein emotionales, sondern auch ein massives intellektuelles Problem gäbe: eine mangelnde politische Grundbildung. Viele Bürger wüssten nicht einmal, was sie wählten, weil ihnen grundlegende Prinzipien wie die Gewaltentrennung fremd seien. Sein radikaler Vorschlag eines "Wahlführerscheins" stieß bei Bohrn Mena auf offene Ohren für eine Reform, auch wenn er den Hebel woanders ansetzen würde: bei der politischen Bildung, die bereits im Kindergarten beginnen müsse , und bei der Frage, warum man nicht stellvertretend für seine Kinder wählen dürfe, um deren Zukunft mehr Gewicht zu verleihen. Wut als Motor und die Falle des Populismus Einig waren sich beide, dass die Unzufriedenheit vieler Menschen, die "in der Früh hackeln geht und am Abend heimkommt", der Treibstoff für populistische Bewegungen ist. Die FPÖ, so Bohrn Mena, habe es perfektioniert, "der einzige Kanal für Wut in diesem Land" zu sein. Er warnte davor, diese Wut zu negieren, denn sie sei eine "unglaublich mächtige und wertvolle Emotion". Statt die Menschen zu beschwichtigen, müsse man anerkennen: "Du hast recht mit deiner Wut". Die Kunst bestehe darin, diese mobilisierende Kraft für ein gemeinschaftliches Ziel zu kanalisieren, anstatt sie einem "vermeintlich starken Mann" zu überlassen – ein Weg, der historisch betrachtet nicht gut ausgegangen sei. Zukunftsszenarien zwischen KI, Klimakrise und Krieg Das Gespräch navigierte weiter durch die großen Krisenherde der Zukunft. Die künstliche Intelligenz, die, wie Pross aus seiner Perspektive als Musiker schilderte, ganze Berufsfelder zu revolutionieren und zu vernichten droht , sei laut Bohrn Mena nur zu bewältigen, wenn die Politik dafür sorgt, dass die gigantischen Gewinne der Tech-Konzerne der Gemeinschaft zugutekommen. Es sei ein Verteilungsproblem , das sich auch in der Geringschätzung von unbezahlter Sorgearbeit, die meist von Frauen geleistet wird, zeige. Als weiteres existenzielles Megathema benannte er den Wert der Natur. Unser Wirtschaftssystem, das einem Baum erst dann einen Wert zubilligt, wenn man ihn umhackt, führe geradewegs in die Katastrophe. Wir müssten verstehen, "dass wir ein Bestandteil der Natur sind" und ihr wieder Raum geben. Den düsteren Abschluss bildete das Thema Krieg, das alle anderen Krisen wie unter einem Brennglas bündelt. Hier zeigte sich auch der einzige klare Dissens zwischen den Gesprächspartnern. Während Bohrn Mena leidenschaftlich argumentierte, dass es aus pazifistischer Sicht feige sei, einem überfallenen Volk wie der Ukraine die Waffen zur Selbstverteidigung zu verweigern , äußerte Pross sein tiefes Unverständnis darüber, wie Waffenlieferungen je eine Lösung für Krieg sein könnten. Es war ein Moment, der die ganze Komplexität und die moralischen Zwickmühlen unserer Zeit offenbarte. Das Gespräch im Kollektivpodcast war mehr als nur ein Interview. Es war eine gemeinsame, schonungslose Bestandsaufnahme, die den Zuhörer nachdenklich und mit dem Gefühl zurücklässt, dass die Rettung der Demokratie und die Bewältigung der globalen Krisen bei jedem Einzelnen und im gemeinschaftlichen Handeln beginnen. Eine Einladung, nicht wegzusehen, sondern sich einzumischen – und sich vielleicht die ganze, faszinierende Tiefe dieses Dialogs im Podcast selbst anzuhören.